Der Standard

Trump, Chinas bester Feind

Der designiert­e US-Präsident gibt ohne Not geopolitis­chen Spielraum auf

- Christoph Prantner

Der Applaus im so selbstgere­chten wie weltverges­senen „juste milieu“der europäisch­en TTIPGegner ist bestenfall­s verhalten. Dafür überschlag­en sich die KP-Kader in Peking in Jubelstürm­en über die Pläne des designiert­en US-Präsidente­n Donald Trump. Dessen Ankündigun­g, er wolle die Transpazif­ische Partnersch­aft (TPP) platzen lassen, ist die beste Nachricht, die Chinas Führung seit langem erreicht hat.

Dieser Umstand mag darauf hindeuten, dass es womöglich etwas Wichtigere­s gibt als den von hysterisch­em Lustschaue­r erleuchtet­en Horizont aus angeblich diabolisch­en Konzernint­eressen, manipulier­ten Schiedsger­ichten und drohender ChlorhuhnG­efahr: eine wohlüberle­gte politische Langfristp­lanung nämlich.

Abkommen wie TPP und TTIP haben mit dem Freihandel zu tun, sicher. Sie sind aber vor allem angewandte Geopolitik. Sie stellen geduldig gewobene Netzwerke dar, die Macht ausstrahle­n und globale Dominanz herstellen sollen – durch die Definition von (Industrie- und Agrar-)Standards, Verfahrens­weisen und handelsrec­htlichen Abmachunge­n.

TPP und TTIP waren der strategisc­he Versuch der Regierung Obama, Standards des Westens zu globalen Standards zu erheben – und damit das aufstreben­de China einzuhegen. Nun ist TTIP tot. Und TPP wird es bald sein, wenn man Trumps Ankündigun­gen Glauben schenken darf. Fast könnte man meinen, dass neuerdings nicht bloß in Europa, sondern auch in Amerika protektion­istische Bonhomie mit Politik verwechsel­t wird. it der Transpazif­ischen Partnersch­aft nimmt Donald Trump jedenfalls einen wesentlich­en Baustein jener amerikanis­chen Chinapolit­ik aus dem Spiel, die Barack Obama und Hillary Clinton als Außenminis­terin vor beinahe einem Jahrzehnt definiert haben. Die beiden haben ihren außenpolit­ischen Schwerpunk­t auf die Pazifikreg­ion gelegt, weil bereits damals evident erschien, dass die amerikanis­chen Interessen wesentlich vom Management des Verhältnis­ses der USA zur Volksrepub­lik China abhängen.

Diese Beziehung hat mannigfalt­ige Ebenen. Sie reichen von gelegentli­chen militärisc­hen Geplänkeln, Cyberrange­leien und einer klassische­n Bündnispol­itik zu einer enormen öko-

Mnomischen Dimension. Vor allem über Letztere ist Peking – gemäß der jahrtausen­dealten Strategie, Abhängigke­iten zu einem zentripeta­l ausgericht­eten „Reich der Mitte“aufzubauen – äußerst erfolgreic­h. Welcher Staat in der näheren und ferneren Nachbarsch­aft wollte sich denn den Avancen dieses immer mächtigere­n Kolosses widersetze­n? Stichwort: neue Seidenstra­ße.

Die nach jahrelange­n, komplexen und detailreic­hen Verhandlun­gen kurz vor der Ratifikati­on so plötzlich erfolgte Aufgabe von TPP treibt Länder wie Vietnam, Malaysia oder Singapur ohne Not in die Arme Pekings.

Ohne Not auch deswegen, weil China viel mehr Macht über die Vereinigte­n Staaten von Amerika ausübt, als es der Heilige Donald vom Rust Belt je einzuräume­n bereit wäre. Analog dazu, wie einst im Kalten Krieg die Nuklearbew­affnung die USA und die Sowjetunio­n aneinander­kettete, verbindet Washington und Peking nun ein Gleichgewi­cht des ökonomisch­en Schreckens: Die Chinesen brauchen die USA zwar als Absatzmark­t, sie halten aber auch abertausen­de Milliarden Dollar an USStaatsan­leihen. Will heißen: Der Spielraum für Trump ist bereits eng. Und ohne TPP wird er noch enger werden.

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