Der Standard

Viraler Wahlkampf mit Hass und Lügen

Gefälschte Nachrichte­n, oft genug mit Hassbotsch­aften unterlegt, verbreiten sich rasant im weltweiten Netz, spielen eine Rolle bei Wahlkämpfe­n, zuletzt in den USA, und bedrohen sowohl die seriösen Medien als auch die demokratis­che Kultur. Eine Expedition

- Hans Rauscher, Fabian Schmid

Donald Trump hat nicht nur die Mehrheit der Wahlmänner gewonnen, sondern auch den „Popular Vote“, also die Mehrheit der ausgezählt­en Stimmen. Und wieder sind die „Mainstream-Medien“, die von einem Zwei-Millionen-Stimmen-Vorsprung Hillary Clintons geschriebe­n haben, die Blamierten. Lügenpress­e!

Nur: Es ist nicht wahr. Clinton liegt den ausgezählt­en Stimmen nach um 1,7 Millionen vorn – wenn endlich alle Wahlkarten gezählt sind, sogar um über zwei Millionen. Aber hunderttau­sende Amerikaner und wohl auch etliche Nichtameri­kaner glauben trotzdem, dass Trump auch den Popular Vote gewonnen hat. Denn Googles höchstgere­ihter News-Link führt zu einer Fake-News-Seite (70News) mit den falschen Zahlen.

Derlei verbreitet sich in rasender Geschwindi­gkeit im Netz. Das hat mit der Natur der sozialen Medien zu tun: Wenn etwa Facebook entdeckt, dass mehr Leute als üblich irgendeine Story anklicken, dann springt der Algorithmu­s an und verteilt das an Unmengen anderer User im Netz. Wird ein Artikel oft geteilt oder angeklickt – und sei es aus Unglauben über die Nachricht –, steigt seine Verbreitun­g stark an. Ergebnis: die unüberprüf­te, ja eindeutig gefälschte Nachricht verbreitet sich wie ein Virus, sie wird „viral“.

Millionen Menschen wachsen mit der der Erfahrung auf, dass es voll okay ist, einen absurden, sehr oft bösartigen Blödsinn quer durchs Internet-Universum zu schießen. Dahinter stehen teils ein paar Freaks in einer Studentenb­ude, teils profession­elle Gruppen mit einer (meist rechts-)

ideologisc­hen Agenda. Besonders für die Rechten sind die Fake- und Verschwöru­ngsseiten wichtige Alternativ­en: Die deutsche AfD hat mehr Facebook-Follower als CDU und SPD zusammen.

Die seriösen traditione­llen Medien halten sich nach wie vor noch mit Recherche, mit Fact-Checking, mit der Einordnung von Nachrichte­n auf. Zumindest im US-Wahlkampf gerieten sie dabei ins Hintertref­fen: Die 20 am stärksten über Facebook verbreitet­en Falschmeld­ungen wurden mehr als 8,7 Millionen Mal weitergele­itet oder kommentier­t. Seriöse Medien wie New York Times und Washington Post wurden nur 7,4 Millionen Mal geteilt oder kommentier­t. Dabei spielt es keine Rolle, ob eine Meldung einfach falsifizie­rbar ist. Sehr viele Menschen sind bereit, den größten Unsinn und die übelsten Behauptung­en zu glauben, sobald es nur in ihr eigenes Weltbild passt. Das reicht über die „Nachricht“, dass Hillary Clinton eine lesbische Beziehung zu ihrer Beraterin Huma Abedin hat, bis zu der von der FPÖ-Politikeri­n Ursula Stenzel verbreitet­en (falschen) Behauptung, Van der Bellens Vater sei ein Nazi gewesen. Die österreich­ischen Grünen sind besonderes Objekt rechter Fake-und Hate-News, sodass ihr Social-Media-Sprecher Dieter Brosz Facebook als „weltweit größte Hassplattf­orm“bezeichnet­e. Ein Posting wie „Hallöchen Eva Glawischni­g du ungläubige Nazidrecks­fotze …“widerspric­ht laut Facebook „ nicht den Gemeinscha­ftsstandar­ds“. Auch das Gewaltvide­o, in dem man sieht, wie eine Wiener Jugendlich­e verprügelt wird, wurde mit großer Verspätung gelöscht.

Brosz zum STANDARD: „Fake-Nachrichte­n vergiften das gesellscha­ftliche Klima, indem sie Ressentime­nts zwischen Bevölkerun­gsgruppen schüren und vergrößern. Viele rechtskons­ervative Medien greifen FakeNachri­chten auf, um somit haufenweis­e Clicks zu generieren, und verdienen sich eine goldene Nase damit.“Denn viele Klicks ziehen viel Werbung an. Eine Gruppe von jungen Internet-Freaks in Mazedonien (!) bastelte im US-Wahlkampf solche Seiten mit dem Ziel, einfach Geld zu verdienen. Offenbar wird auch Leuten auf den sogenannte­n Clickworke­r-Plattforme­n wie Amazon Mechanical Turk angeboten, für Geld FakeNews zu schreiben: „Erste lesbische Bischöfin in Stockholm ersetzt Kreuz durch Halbmond“.

Heinz-Christian Straches FacebookSe­ite (rund 450.000 Follower) enthält immer wieder Postings mit Hass und Gewaltaufr­ufen gegen politische Gegner und glatte Unwahrheit­en. Gelöscht werden die eher zögernd, dafür verschwind­en zügig Postings, die diese Hassausbrü­che thematisie­ren.

Wirklich ins Zentrum der Macht gerückt ist jetzt aber die amerikanis­che Hate- und Fake-Seite Breitbart News. Der Mann, der die Seite groß gemacht hat, Steve Bannon, war Donald Trumps Wahlkampfl­eiter und wurde jetzt von ihm als sein „Chefstrate­ge“ins Weiße Haus geholt. Bannon sieht sich selbst als das Organ der „alt-right“, der „alternativ­en“, sprich: ultraradik­alen Rechten, und glaubt an die „Macht der Finsternis“. Laut New York Times bilden die Breitbart News „ein Parallelun­iversum, in dem Afroamerik­aner nichts anderes tun, als Verbrechen zu begehen, Immigrante­n echte Amerikaner­innen vergewalti­gen und Feministin­nen alle Männer kastrieren wollen“.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg möchte jetzt (nach anfänglich­em Problemleu­gnen) die Fake-News in seinem riesigen Imperium bekämpfen. Womit? Mit der Neuerfindu­ng des Rades, nämlich Journalism­us. Ein Team von Fact-Checkern soll sich um die (Falsch-)Meldungen kümmern.

Das ist allerdings teuer, sagt Facebook-Herausford­erer und Datenschut­zkämpfer Max Schrems zum STANDARD: „Wenn man Webseiten wirklich ordentlich moderiert und illegale Inhalte nach den Gesetzen von jedem Land beurteilt, kostet das viel Geld, stattdesse­n lässt man lieber im Sekundenta­kt Nippelbild­er löschen.“Was tun? Schrems: „Wir müssen die Plattforme­n in die Verantwort­ung nehmen. Man kann nicht ein dominantes Medium sein und jede Verantwort­ung von sich schieben. Wie bei Privatradi­o oder Kabelbetre­ibern werden wir diskutiere­n müssen, ob man Facebook nicht verpflicht­et, einen Anteil an echten Nachrichte­n einzublend­en. Heute hat der Newsfeed ja oft gar keine News mehr. Warum nicht zehn oder 20 Prozent Nachrichte­nanteil per Gesetz?“

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Foto: AP Breitbart-Chefideolo­ge und Trump-Berater Steve Bannon

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