Juppé greift Fillon frontal an
Nervosität vor entscheidender Primärwahl in Frankreich
Parteifreunde sind die besseren Feinde. Das gilt auch für die französischen Republikaner: Nach monatelanger Führung in allen Umfragen stürzte Alain Juppé zuletzt vom hohen Ross: In der ersten Vorausscheidung für die Präsidentschaftswahl musste er sich am Sonntag mit dem zweiten Platz begnügen, deutlich hinter Überraschungssieger François Fillon. Unmittelbar vor der Endrunde am nächsten Sonntag herrscht zwischen den beiden ehemaligen Regierungschefs „Krieg“, wie sich die Pariser TVStation BFM ausdrückt.
Juppé wirft Fillon ungewohnt aggressiv vor, ein „unglaubwürdiges“Programm radikaler Reformen (Aus für die 35Stunden-Woche, Pensionsalter 65, Abbau von 500.000 Beamtenstellen) vorzulegen. Außerdem sei er als Premier von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy für dessen Versagen mitverantwortlich und wolle via Moskau mit dem syrischen Gewaltherrscher Bashar al-Assad verhandeln. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte Fillon am Mittwoch eine „aufrechte Person“genannt. Überdies wirft Juppé wirft seinem Gegenüber Fillon vor, er stehe katholischen Traditionalisten nahe und nehme eine unklare Haltung in der Abtreibungproblematik ein.
Damit brachte Juppé ein Reizwort ins laizistische und doch urkatholische Frankreich ein. Fillon hatte erklärt, er könne die Abtreibung aus philosophischen Grün- den und wegen seines Glaubens nicht als „Grundrecht“anerkennen; als Politiker wolle er aber nicht am Gesetz rütteln.
Juppé konterte, für ihn sei Abtreibung durchaus ein Grundrecht. Fillon verlor darauf erstmals die Fassung: „Ich hätte nie gedacht, dass mein Freund Alain Juppé so tief fallen könnte“, sagte er und beteuerte, er habe in 30 Jahren nie gegen die Abtreibung Stellung bezogen. Er wisse zu unterscheiden zwischen persönlichen Überzeugungen und politischem Handeln.
Doch „Freund Juppé“ging da schon einen Schritt weiter: Während er selbst auf die „offene Rechte und die Mitte“setze, mokierte er sich darüber, dass Fillon auch die Unterstützung „rechtsextremer Kreise“erhalte. Gemeint sind Dissidenten des Front National (FN) wie Jacques Bompard, Aymeric Chauprade und Carl Lang, die nun zum chancenreichsten Kandidaten überlaufen.
„Intellektuelle Unredlichkeit“
Fillon konterte, er sei ein kompromissloser Gegner der extremen Rechten; er kandidiere nicht zuletzt, um ihre Machtergreifung im Mai 2017 zu verhindern. Ihm eine Nähe zum FN zu unterstellen sei eine „intellektuelle Unredlichkeit“. Die FN-Abgeordnete Marion Maréchal-Le Pen erklärte ihrerseits, Fillon sei „seit 30 Jahren ein Gegner des Front National – und noch einer von wenigen, die sich weigern, mir die Hand zu schütteln“.