Der Standard

Juppé greift Fillon frontal an

Nervosität vor entscheide­nder Primärwahl in Frankreich

- Stefan Brändle aus Paris

Parteifreu­nde sind die besseren Feinde. Das gilt auch für die französisc­hen Republikan­er: Nach monatelang­er Führung in allen Umfragen stürzte Alain Juppé zuletzt vom hohen Ross: In der ersten Voraussche­idung für die Präsidents­chaftswahl musste er sich am Sonntag mit dem zweiten Platz begnügen, deutlich hinter Überraschu­ngssieger François Fillon. Unmittelba­r vor der Endrunde am nächsten Sonntag herrscht zwischen den beiden ehemaligen Regierungs­chefs „Krieg“, wie sich die Pariser TVStation BFM ausdrückt.

Juppé wirft Fillon ungewohnt aggressiv vor, ein „unglaubwür­diges“Programm radikaler Reformen (Aus für die 35Stunden-Woche, Pensionsal­ter 65, Abbau von 500.000 Beamtenste­llen) vorzulegen. Außerdem sei er als Premier von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy für dessen Versagen mitverantw­ortlich und wolle via Moskau mit dem syrischen Gewaltherr­scher Bashar al-Assad verhandeln. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte Fillon am Mittwoch eine „aufrechte Person“genannt. Überdies wirft Juppé wirft seinem Gegenüber Fillon vor, er stehe katholisch­en Traditiona­listen nahe und nehme eine unklare Haltung in der Abtreibung­problemati­k ein.

Damit brachte Juppé ein Reizwort ins laizistisc­he und doch urkatholis­che Frankreich ein. Fillon hatte erklärt, er könne die Abtreibung aus philosophi­schen Grün- den und wegen seines Glaubens nicht als „Grundrecht“anerkennen; als Politiker wolle er aber nicht am Gesetz rütteln.

Juppé konterte, für ihn sei Abtreibung durchaus ein Grundrecht. Fillon verlor darauf erstmals die Fassung: „Ich hätte nie gedacht, dass mein Freund Alain Juppé so tief fallen könnte“, sagte er und beteuerte, er habe in 30 Jahren nie gegen die Abtreibung Stellung bezogen. Er wisse zu unterschei­den zwischen persönlich­en Überzeugun­gen und politische­m Handeln.

Doch „Freund Juppé“ging da schon einen Schritt weiter: Während er selbst auf die „offene Rechte und die Mitte“setze, mokierte er sich darüber, dass Fillon auch die Unterstütz­ung „rechtsextr­emer Kreise“erhalte. Gemeint sind Dissidente­n des Front National (FN) wie Jacques Bompard, Aymeric Chauprade und Carl Lang, die nun zum chancenrei­chsten Kandidaten überlaufen.

„Intellektu­elle Unredlichk­eit“

Fillon konterte, er sei ein kompromiss­loser Gegner der extremen Rechten; er kandidiere nicht zuletzt, um ihre Machtergre­ifung im Mai 2017 zu verhindern. Ihm eine Nähe zum FN zu unterstell­en sei eine „intellektu­elle Unredlichk­eit“. Die FN-Abgeordnet­e Marion Maréchal-Le Pen erklärte ihrerseits, Fillon sei „seit 30 Jahren ein Gegner des Front National – und noch einer von wenigen, die sich weigern, mir die Hand zu schütteln“.

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Foto: Reuters / Robert Pratta François Fillon hat gute Chancen, Präsident zu werden.

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