Der Standard

Energieabg­abe: Fehler mit teuren Konsequenz­en

Rückvergüt­ung nur für produziere­nde Betriebe EU-widrig – Flut an Zahlungen droht

- Günther Strobl

ANALYSE: Wien – Der Murks reicht zurück ins Jahr 2010. Finanzmini­ster war Josef Pröll (ÖVP), der Kanzler hieß Werner Faymann (SPÖ). Haushaltsl­öcher zu stopfen hatte angesichts der Geldvernic­htungsmasc­hine Hypo Alpe Adria Priorität. Viel Geld einnehmen und möglichst wenig rauslassen war der Plan. Die Energieabg­abe bzw. die Rückvergüt­ung derselben war eine Art Spielwiese dafür.

„Ihr könnt nicht wegziehen, die Industrie schon. Deshalb machen wir das bei euch“, ließen Regierungs­vertreter Touristike­r damals ganz offen wissen – und beschränkt­en die Energieabg­aberückver­gütung auf produziere­nde Betriebe. Hotels, Bergbahnen und andere Dienstleis­ter, die bis dato ebenfalls Teile der Energieabg­abe vom Finanzamt gutgeschri­eben bekamen, waren plötzlich ausgeschlo­ssen. Auf 100 Millionen Euro wird die Ersparnis der Finanz pro Jahr geschätzt. 20 Millionen entfallen auf die Hotellerie.

Wie sich nun aber herausstel­lt, könnte es für die Republik ein teures Nachspiel geben. Nach Ausschöpfu­ng des Instanzenz­ugs in Österreich landete die Causa auf Betreiben der Steuerbera­tung Prodinger (Zell am See) mithilfe eines betroffene­n Hotelbetri­ebs aus Windischga­rsten in Luxemburg. Dort hat der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) diesen Sommer ein Erkenntnis des Generalanw­alts bestätigt, wonach die Energieabg­abenvergüt­ung als staatliche Beihilfe nicht gemäß der Allgemeine­n Gruppenfre­istellungs­verordnung 2008 freigestel­lt ist.

Das heißt im Klartext: Der österreich­ische Gesetzgebe­r hätte die EU-Kommission vorab um Genehmigun­g ersuchen müssen, die Rückvergüt­ung auf produziere­nde Unternehme­n zu beschränke­n. Die gibt es bis heute nicht. Öster- reich hat nie einen Antrag gestellt. Man hat das schlicht vergessen, verschlamp­t oder was auch immer. Rechtsanwa­lt Markus Kroner steht auf dem Standpunkt, dass die neue Bestimmung nie in Kraft getreten ist. Das heiße nichts anderes, als dass das alte Gesetz weiter anzuwenden ist, das eine Gleichbeha­ndlung aller Unternehme­n hinsichtli­ch Rückvergüt­ung der Energieabg­abe vorsieht.

Finanzmini­sterium mauert

Das Finanzmini­sterium wehrt sich. Es hat Revision eingelegt, die Causa muss nun letztinsta­nzlich vor dem Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) entschiede­n werden. Das Pikante daran: Der VwGH hat sich schon einmal damit beschäftig­t. Die Höchstrich­ter haben 2013, drei Jahre vor dem EuGH-Spruch, keine europarech­tlichen Bedenken gesehen.

Tatsächlic­h steht viel auf dem Spiel. Ist das alte Gesetz gültig, haben alle Dienstleis­tungsunter­nehmen ein Anrecht auf Nachzahlun­g der ihnen vorenthalt­enen Rückvergüt­ung. Das wären für fünf Jahre in Summe hundert Millionen. Alle Betroffene­n sollten rasch Vergütungs­anträge stellen, um ihre Ansprüche zu wahren, empfiehlt Stefan Rohrmoser von der Steuerbera­tung Prodinger.

Zweite Variante: Die neue Bestimmung ist doch in Kraft getreten. In dem Fall würde wohl ein Verfahren gegen die Republik wegen unerlaubte­r Beihilfen beginnen. Was aber noch schwerer wiegen dürfte: Produziere­nde Unternehme­n könnten gezwungen sein, die zu Unrecht bezogene Rückvergüt­ung zurückzuer­statten.

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Foto: Reuters Mit dem weltweit größten urbanen Seilbahnne­tz macht Doppelmayr in La Paz die Alltagsweg­e kürzer.

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