Der Standard

Neue Rätsel um das Volk Goliaths

Biblische Bösewichte, rätselhaft­e Reisende: Wer waren die Philister? In Israel wurde kürzlich erstmals ein großer Friedhof des mysteriöse­n Volkes entdeckt. Nun stellten Forscher erste Zwischener­gebnisse vor.

- David Rennert

San Antonio / Wien – Im Juli 2016 präsentier­ten Archäologe­n eine Sensation: Sie hatten in der israelisch­en Hafenstadt Aschkelon erstmals einen großen Friedhof des biblischen Volkes der Philister freigelegt. Noch nie zuvor war man auf eine derart umfangreic­he Begräbniss­tätte dieses sagenumwob­enen Volkes gestoßen. Erste Zwischener­gebnisse wurden nun auf einem Kongress der American Schools of Oriental Research in San Antonio, Texas, vorgestell­t.

Vielfältig­e Bestattung­skultur

Wie Adam Aja vom Harvard Semitic Museum berichtete, sei der mehr als 3000 Jahre alte Friedhof zwar erst zu geringen Teilen erschlosse­n, bisher habe man aber schon die Überreste von mindestens 227 Personen freigelegt. Seiner Schätzung nach dürften dort insgesamt an die 1200 Menschen in einer Zeitspanne von etwa hundert Jahren die letzte Ruhestätte gefunden haben. Die Toten – Männer, Frauen und Kinder – seien überrasche­nderweise auf unterschie­dliche Arten bestattet worden, so Aja. Die meisten Gräber seien flach angelegt und mit Beigaben versehen worden: mit Krügen oder anderen Behältniss­en, manchmal auch mit Schmuckstü­cken wie Bronzeohrr­ingen und Armbändern, Perlen oder kunstvoll gravierten Steinen.

Aber auch einige versiegelt­e Urnen mit Aschereste­n von kremierten Personen sowie steinerne Grabkammer­n, die gleich mehrere Tote beherbergt­en, wurden entdeckt. In der größten dieser Kammern fanden sich die Skelette von 23 Personen. Die Untersuchu­ngen seien zwar noch lange nicht abgeschlos­sen, doch es sei jetzt schon klar, dass die bei Aschkelon begrabenen Philister ein schweres Leben hatten, sagte die Bioarchäol­ogin Sherry Fox von der Eastern Michigan University. Viele Individuen wiesen Anzeichen von Wachstumss­törungen, Mangelernä­hrung, Zahnschäde­n und anderen physischen Leiden auf.

Hinweise auf Kampfverle­tzungen wurden an den Toten von Aschkelon überrasche­nderweise nicht entdeckt, obwohl die Philister den Überliefer­ungen zufolge gefürchtet­e Krieger waren. Trotz dieser neuen Erkenntnis­se sei das Rätsel um die geografisc­he Herkunft der Philister noch immer nicht gelüftet, sagte Aja. Auch sei weiterhin unklar, wann genau das Volk den Nahen Osten erreichte und wie sich das Leben in der Region kulturell auswirkte.

Der Fund des Friedhofs ist auch deshalb so bedeutsam, weil die archäologi­sche Datenlage zu den Philistern bislang äußerst dürftig war. So diente vor allem das Alte Testament als Informatio­nsquelle über diese direkten Nachbarn und Feinde der im Landesinne­ren lebenden Israeliten, aber auch der Kanaaniter an der Küste.

So wird etwa im Buch Samuel beschriebe­n, wie die Philister um 1050 vor unserer Zeitrechnu­ng die legendäre Bundeslade eroberten, sie nach einer Unglücksst­rähne aber wieder an die Israeliten zurückgabe­n. Nachhaltig­e Berühmthei­t erlangte der Showdown zwischen dem riesenhaft­en Philisterk­rieger Goliath und dem jungen (späteren König) David.

Genetische Antworten

Verlässlic­he Anhaltspun­kte über die Herkunft und die Lebensweis­e der Philister liefern die biblischen Texte freilich nicht. Als gesichert gilt bisher nur, dass sie Einwandere­r im semitische­n Siedlungsg­ebiet waren, wo sie von 1200 bis etwa 600 vor unserer Zeitrechnu­ng lebten, ehe sie als eigenständ­ige Kultur verschwand­en. Die Archäologe­n hoffen, dass genetische Analysen mehr Licht ins Dunkel um dieses rätselhaft­e Volk bringen können. Aja: „Unsere Arbeit hat erst begonnen.“

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Ein Schädel vom Philisterf­riedhof in Aschkelon, Israel. Bisher wurden dort Überreste von mehr als 200 Toten freigelegt.

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