Der Standard

Berlin statt Brüssel: Schulz hat in der SPD noch einiges vor

EU-Parlaments­präsident Martin Schulz kehrt Brüssel den Rücken und wechselt in die Berliner Politik. Unklar bleibt allerdings, ob er Außenminis­ter oder sogar Kanzlerkan­didat wird. In der Europäisch­en Volksparte­i läuft das Rennen um die Nachfolge – mit Othm

- Birgit Baumann Thomas Mayer

Berlin/Straßburg/Wien – Der Abschied fällt ihm sichtlich schwer. Obgleich Martin Schulz (SPD) in Brüssel ein erfahrenes und politische­s Schwergewi­cht ist, war seine Stimme, als er am Donnerstag­vormittag in Brüssel seine Pläne bekanntgab, brüchig.

Er will nicht mehr für das Amt des EU-Parlaments­präsidente­n kandidiere­n, sondern sich im kommenden Jahr für ein Bundes- tagsmandat bewerben. „Diese Entscheidu­ng ist mir nicht leichtgefa­llen“, erklärte Schulz und betonte: „Ich werde nun von der nationalen Ebene aus für das europäisch­e Projekt kämpfen. Ich werde mich weiter dafür einsetzen, das Leben der Menschen ein Stück besser zu machen, und ich will mit einer klaren Haltung meinen Beitrag leisten, dass Gräben in unseren Gesellscha­ften und zwischen den Ländern wieder geschlosse­n werden.“

In Deutschlan­d ist die Freude in der SPD über den Wechsel von Schulz groß. „Ich freue mich, dass er seine Erfahrung und seine Begeisteru­ng für Europa in Zukunft in Berlin einbringen möchte. Ich kenne wenige, die die europäisch­e Idee so verkörpern wie Martin Schulz“, sagt SPD-Generalsek­retärin Katarina Barley.

Schulz wird in Deutschlan­d natürlich nicht parteiinte­rn um ein aussichtsr­eiches Bundestags­mandat rittern müssen. Im Gegenteil: Er bekommt Platz eins der Landeslist­e Nordrhein-Westfalen, seinem Heimatbund­esland. Eine entspreche­nde Vereinbaru­ng hatte er am Abend zuvor mit Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD) und dem Parteivors­tand getroffen.

Man kann auch davon ausgehen, dass Schulz nicht als „einfacher“Abgeordnet­er in den Bundestag einziehen und dort auf der Hinterbank Platz nehmen wird, sondern in der SPD noch etwas vorhat. Nach wie vor sind dort zwei Topjobs neu zu besetzen: Die SPD braucht einen Nachfolger für Außenminis­ter FrankWalte­r Steinmeier, der am 12. Februar zum neuen Bundespräs­identen gewählt wird.

Ungeklärt ist immer noch die Frage der Kanzlerkan­didatur. Von SPD-Chef Sigmar Gabriel (57) weiß man, dass er 2017 viele Windeln wechseln wird. Er und seine Frau bekommen das zweite Kind. Ob er Kanzlerkan­didat werden will oder vielleicht Schulz den Vortritt lässt, darüber schweigt er sich aus. Erst Ende Jänner soll dann Klarheit herrschen.

Karas im Nachfolger­rennen

Schulz betonte in seiner Brüsseler Erklärung, die er auf Deutsch, Englisch und Französisc­h vortrug, dass er aber vorerst sein Amt weiter ausüben werde. Mitte Jänner stehen im EU-Parlament die Neuwahl des Präsidente­n, aber auch seiner vierzehn Stellvertr­eter, außerdem von fünf Quästoren und vielen Ausschussv­orsitzende­n an.

Bis Donnerstag war erwartet worden, dass Schulz eigentlich für eine dritte Amtszeit kandidiere­n wolle, obwohl eine Vereinbaru­ng von Christdemo­kraten (EVP) und Sozialdemo­kraten (S&D) vorgesehen hätte, dass in der zweiten Hälfte der Legislatur­periode ein EVP-Abgeordnet­er zum Zug kommen sollte. Schulz hatte mithilfe der Sozialdemo­kraten und auch der von Kommission­schef JeanClaude Juncker sogar seit Monaten darum gekämpft.

Die Reaktionen auf seine Klarstellu­ng fielen daher gemischt aus. Juncker sagte, er „bedauere das“. Viele Abgeordnet­e hoben die Verdienste von Schulz hervor, das politische Gewicht des EU-Parlaments zu stärken oder sich deutlich gegen „demagogisc­hen Populismus“zu stellen.

Gleichwohl gab es auch Kritik daran, dass der Deutsche die Parlamenta­rier in der Präsidente­nfrage erst so lange hingehalte­n habe, um dann erst recht zu gehen. In der EVP läuft das Rennen um seine Nachfolge: Neben dem Franzosen Alain Lamassoure und der Irin Maired McGuinness werden auch Othmar Karas (ÖVP) gewisse Chancen eingeräumt.

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Martin Schulz geht nach Berlin. Fragen nach konkretere­n Plänen wehrt er aber derzeit noch ab.
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Foto: AFP / Tobias Schwarz SPD-Chef Sigmar Gabriel hat wohl einen Job für Martin Schulz.

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