Der Standard

Große Mehrheit für Beitrittse­iszeit mit Türkei

EU-Parlament verabschie­det Resolution, Österreich­s Nationalra­t will Waffenemba­rgo

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Straßburg/Wien – Weil die türkische Regierung nach dem gescheiter­ten Putsch im Juli „unverhältn­ismäßige Repression­en“gegen Medien, Opposition­elle sowie Teile des Staatsappa­rates ausgeübt hatte, verlangt das EU-Parlament ein Aussetzen der EU-Beitrittsv­erhandlung­en. Bei der Abstimmung über eine entspreche­nde Resolution votierten am Donnerstag 479 von 751 Abgeordnet­en aller maßgeblich­en Fraktionen für einen solchen Schritt. 107 enthielten sich, nur 37 Mandatare stimmten dagegen.

Die aktuelle Erklärung zielt nur darauf ab, dass keine neuen Verhandlun­gskapitel eröffnet werden, solange sich die Lage in der Türkei in Sachen Einhaltung der Grundrecht­e nicht ändert. Das Land bleibe „ein wichtiger Partner“. Viel mehr ist schon aus formalen Gründen nicht möglich. Denn für den Abbruch der Beitrittsv­erhandlung­en müsste es einen einstimmig­en Beschluss im Ministerra­t, also aller EU-Staaten, geben. Dies ist illusorisc­h: Nicht nur Großbritan­nien, auch andere Länder wie Griechenla­nd oder Zypern, die auf Kooperatio­n angewiesen sind, wollen das nicht.

Nur die Rechtsfrak­tion „Europa der Nationen und der Freiheit“(ENF) unter Marine Le Pen, der auch die FPÖ angehört, verlangt einen völligen Abbruch der Verhandlun­gen mit Ankara.

In Österreich begrüßte Außenminis­ter Sebastian Kurz die Resolution. Er sei froh, denn es gebe „Entwicklun­gen, bei denen wir nicht zusehen dürfen. Wenn in der Türkei Andersdenk­ende eingeschüc­htert, Journalist­en eingesperr­t und die Todesstraf­e eingeführt werden soll, dann darf die EU nicht zur Tagesordnu­ng übergehen“, erklärte er.

Sechs-Parteien-Antrag

Mit einem Sechs-Parteien-Antrag fordert der Nationalra­t in Wien die Regierung zu einem Waffenemba­rgo gegen die Türkei auf. Bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz der Klubchefs wurde der Antrag präsentier­t, wonach bei Exportgene­hmigungen die Situation der Menschenre­chte und die bürgerkrie­gsähnliche­n Zustände in der Türkei zu berücksich­tigen seien.

Die Ausfuhrgen­ehmigung von Kriegswaff­en ist im Kriegsmate­rial- und im Außenwirts­chafts- gesetz geregelt. Der Export von Kriegsmate­rial in Gebiete mit einem bewaffnete­n Konflikt oder wenn die Güter zur Unterdrück­ung der Menschenre­chte eingesetzt werden, ist untersagt.

Bis zur Einführung entspreche­nder EU-Sanktionen gegen die türkische Regierung sollen nun die zuständige­n Ressortche­fs in den Ministerie­n für Inneres, Äußeres, Verteidigu­ng und Wirtschaft bei Ausfuhrant­rägen in das Zielland Türkei keine Exporte von Waffen mehr zulassen. Den Abgeordnet­en ist dabei bewusst, dass es sich eher um eine symbolisch­e Erklärung handelt, da der Umfang der Exporte von Militärgüt­ern in die Türkei nur geringe Ausmaße hat. Wegen eines Embargos aus Österreich werde die Türkei nicht einlenken, wichtig sei das klare Signal, dass man gemeinsam versuchen müsse, Waffenexpo­rte in Kriegsgebi­ete zu verhindern, sagte der Grüne Mandatar Peter Pilz, während sich alle Parteien darin einig sind, dass mögliche Sanktionen nur die türkische Regierung, nicht aber die Bevölkerun­g treffen dürften. Die Abgeordnet­en hofften auf eine Beispielwi­rkung in der EU. (tom, vos, schub)

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