Emir verordnet unzufriedenen Kuwaitern Wahlen
Viel Vertrauen darauf, dass ein neues Parlament Veränderungen bringt, gibt es in Kuwait nicht. Trotzdem bleibt das kleine Abgeordnetenhaus das lebhafteste der arabischen Golfstaaten.
ANALYSE:
Kuwait-Stadt/Wien – Parlamentsauflösung und vorgezogene Neuwahlen sind in Kuwait ja beinahe schon Routine: Auch diesmal, wie achtmal zuvor in der Geschichte des Parlaments seit 1975, hat ein Dekret des Emirs die Legislaturperiode des lebhaftesten Abgeordnetenhauses auf der arabischen Seite des Persischen Golfs frühzeitig im Oktober beendet. Gewählt hätte eigentlich erst im Juli 2017 werden sollen, nun können etwa 490.000 Kuwaiter und Kuwaiterinnen schon am Samstag an die Urnen gehen.
Zur Wahl stehen nach Rückzügen und Eliminierungen durch die Wahlkommission 287 Kandidaten für 50 Mandate. 14 Frauen treten an – der zweittiefste Stand, seit sie 2006 erstmals die Möglichkeit zur Kandidatur hatten (damals waren es 28). Offenbar ist das Vertrauen, durch Parlamentsarbeit etwas bewegen zu können, eher im Schwinden begriffen: Was nichts daran ändert, dass Frauen in Kuwait längst groß in der Wirtschaft mitspielen. Eine dieser mächtigen Geschäftsfrauen, Khawla al-Hassawi, ist etwa gerade dabei, sich in ihre Lieblingsfußballmannschaft, den saudischen Al-Nasr-Klub, einzukaufen.
Vorladung verhindern
Die Gründe für die Parlamentsauflösung werden ironisch kommentiert: Es herrscht die Meinung vor, dass der Emir, Sheikh Sabah Ahmad al-Jaber al-Sabah, auf Wunsch der – ebenfalls von einem Sabah geführten – Regierung das Vorhaben des Parlaments vereiteln wollte, den Finanz- und amtierenden Ölminister sowie den Justizminister vorzuladen.
Für die Kuwaiter völlig ungewohnt hat die Regierung angesichts des Budgetlochs – verursacht vor allem durch den Einkommensausfall durch die niedrigen Ölpreise – Preisstützungen gestrichen und Abgaben erhöht. Die Opposition argumentiert, dass das Geld vor allem deshalb fehlt, weil es bei der allgemeinen Korruption in dunklen Kanälen verschwindet. Seit dem Anschlag des „Islamischen Staats“in einer schiitischen Moschee in Kuwait-Stadt im Vorjahr ist auch der Glaube in die Sicherheit erschüttert. Die Stimmung ist so dunkel, dass zwanzig berühmte Persönlichkeiten vor kurzem einen Appell unterschrieben, dass der Staat Kuwait „vor der Erosion“stehe und gerettet werden müsse.
Parallel zu Unzufriedenheit und Kritik fährt der Staat seine Repressionsmittel hoch. Es gibt seit 2015 ein neues restriktives Pressegesetz und ein sehr weit gefasstes Gesetz gegen Cyberkriminalität.
Arabischer Frühling
Das kuwaitische Regime war nie gefährdet, aber der damals so genannte Arabische Frühling hatte auch in Kuwait seine Ausläufer, im November 2011 gab es einen Sturm aufs Parlament. Eine der lautesten Stimmen der Protestfront, der Abgeordnete und Chef der „Populären Aktionsbewegung“Mussallam al-Barrak, sitzt aktuell wegen Beleidigung des Emirs im Gefängnis. Es wird gemunkelt, dass seine 2017 fällige Freilassung ebenfalls etwas mit dem Vorziehen der Parlaments- wahlen zu tun haben könnte. Allerdings gibt es seit Sommer ein Gesetz, das Kandidaten, die den Herrscher, Gott und die Propheten beleidigt haben, ohnehin von der Kandidatur ausschließt.
Unzufriedenheit herrscht auch über ein neues Wahlrecht, mit dem schon die letzten Wahlen 2013 – nach gleich zwei Wahlgängen 2012, die wiederholt werden mussten – bestritten wurden. Der/die Wahlberechtigte hat nur mehr eine Stimme, nicht mehr wie zuvor vier, zur Verfügung. Die Absicht ist klar: Eine Einzelstimme geht in einer konservativen Gesellschaft eher an eine Einzelper- son, zu der ein Wähler ein Loyalitätsverhältnis hat, und wird nicht aus politischen Gründen vergeben. Parteien gibt es nicht.
Wegen des Wahlgesetzes hatten die oppositionellen Gruppierungen die Wahlen von 2013 boykottiert. Nicht alle machen diesmal mit, aber wieder dabei ist der politische Arm der Muslimbrüder in Kuwait, die „Islamische Verfassungsbewegung“. Allerdings hat die Einstufung als Terrorgruppe in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain die Muslimbrüder viel Ansehen gekostet.
Kuwait verfügt weiters über starke tribale Blöcke, die traditionell als dem Herrscherhaus ergeben galten, nun jedoch immer kritischer werden. Die in den arabischen Golfstaaten, auch in Kuwait, übliche Praxis, Missliebigen die Staatsbürgerschaft zu entziehen, trifft auch Stammesvertreter – und kostet das Regime Unterstützung. Auch Mussallam al-Barrak gehört zu einem großen Stamm, den Mutairis, denen die Verurteilung ihres Politikers gar nicht gefallen hat.