Einsatzrekord der Bergretter durch Outdoor-Boom
„Raus in die Natur“macht Bergrettern zu schaffen. Heuer zeichnet sich ein Rekord an Einsätzen ab. Die meisten Menschen geraten in leichtem Gelände und auf Skipisten in Not. Auch Klettersteige werden unterschätzt.
Wien – Eigentlich wollte der Wanderer, der mit seinem Hund auf der Sattelalpe in Vorarlberg unterwegs war, nur einer Kuhherde ausweichen. Doch Hund und Herrl landeten auf einem Grat, auf dem sie weder vor noch zurück konnten. Der Fall ist ein Paradebeispiel für den Alltag der österreichischen Bergretter. Immer öfter müssen sie ausrücken, weil Menschen bei eher leichteren Wanderungen von gut gesicherten und markieren Wegen abkommen oder sich durch Leichtsinn selbst Schaden zufügen – wie eine Tiroler Berggeherin, die während eines Gewitters zum Telefonieren vor eine Alpenvereinshütte bei Innsbruck ging, wo sie von einem Blitz verletzt wurde.
Der Österreichische Bergrettungsdienst (ÖBRD) rechnet heuer überhaupt mit einem Rekordjahr. Bis Ende Dezember dürften bei mehr als 7700 Einsätzen an die 8000 Menschen geborgen worden sein. Allein in den vergangenen zehn Jahren stieg die Zahl der Einsätze um über 30 Prozent, ga- ben die Bergretter am Mittwoch in Wien bekannt.
Der Trend entwickle sich weg von Rettung aus schwierigen Wänden und hochalpinem Gebiet hin zu Alpinunfällen bei Wanderungen in leichtem Gelände, berichtete ÖBRD-Präsident Franz Lindenberg. Im Vorjahr waren in diesem Gelände fast zwei Drittel aller Todesopfer zu beklagen. „Es gibt einen deutlichen OutdoorBoom, alle wollen das ganze Jahr in das Gebirge“, schilderte Extrembergsteiger Peter Habeler. „Vorbereitung und Disziplin werden oft vernachlässigt, sehr problematisch ist immer auch die fal- sche Selbsteinschätzung“, so Habeler. „Stand man früher mit ein paar Freunden auf dem Gipfel, sind es heute 20, 30 andere Bergsteiger“, so Lindenberg.
Hoch war 2015 auch der Anteil der Pistenunfälle. 46,5 Prozent der Einsätze erfolgten dort. Die Bergretter warnten vor unvorbereite- ten Variantenfahren abseits gesicherter Pisten. „Lawinengerechtes Verhalten ist ein absolutes Muss“, appelliert Lindenberg. Dazu gehört eben die richtige Ausrüstung, mit der Skifahrer auch umgehen müssen. Die meisten Unfälle passieren am Nachmittag, wenn Hobbysportler schon müde sind.
Immer mehr Einsätze verzeichnen die Bergretter auch auf Klettersteigen. „Ein Klettersteigset ist leicht zu kaufen, viele sind dann aber in der Wand überfordert“, warnt Lindenberg. „Wir raten zu einer entsprechenden Ausbildung, richtiger Selbsteinschätzung und guter Tourenplanung.“
Ganzjahresbetrieb
Der Bergrettungsdienst mit seinen 12.500 Bergrettern (alle Freiwillige) in insgesamt 291 Ortsstellen muss auch auf neue Gegebenheiten reagieren: Als Beispiel nannte Lindenberg den Semmering. „Der war früher ein reines Winterskigebiet, mittlerweile kann man das ganze Jahr über Alpinsportarten betreiben. Die Bergrettung wurde so zu einem Ganzjahresbetrieb gezwungen“, so der ÖBRD-Präsident.
Nachwuchsprobleme haben die ausgebildeten Bergretter nicht, der Andrang sei groß, obwohl eine Mitarbeit auch eine finanzielle Belastung bedeuten könne. Es gibt zwar Spenden, doch „in keinem Bundesland ist die Bergrettung in der Lage, alle Mitglieder mit den roten Anoraks auszustatten“, beklagt Lindenberg. (APA, simo) pbergrettung. at