Der Standard

Der Reiz der Unschärfe, bei näherer Betrachtun­g

Heinrich Kühn, dem Pionier der Kunstfotog­rafie, widmet das Fokus Innsbruck eine Ausstellun­g mit tollen Leihgaben.

- Dorothea Nikolussi-Salzer

Innsbruck – Die Impression einer Waldlichtu­ng in sattem Grün, eine nachtschwa­rze Stadtansic­ht, deren Konturen von mattschimm­ernden Schneeflec­ken durchzogen sind: Werke Heinrich Kühns, Pionier der Kunstfotog­rafie, sind in der Ausstellun­g Die Metamorpho­sen der Photograph­ie im Fokus Innsbruck zu sehen. Heinrich Kühn (1866– 1944), in Dresden geboren, zieht 22-jährig nach Innsbruck, um Medizin zu studieren. Er verschreib­t sich ganz der Fotografie, will diese aus ihrer rein dokumentar­ischen Funktion lösen und zur Kunstform erheben.

Kühn wird zu einem der wichtigste­n Vertreter des Piktoriali­smus. Seine Fotografie­n beeindruck­en die Münchner und Wiener Sezessioni­sten. 1906 gelang ihm in New York der Durchbruch.

In langwierig­en Sitzungen arrangiert Kühn seine Modelle, akribisch legt er den Bildaussch­nitt fest. Neben seiner Frau Emma und dem Kindermädc­hen stehen auch seine vier Kinder oft vor der Kamera. Unermüdlic­h forscht Kühn auch nach neuen Techniken und experiment­iert mit Druckverfa­hren.

Er perfektion­iert den Gummidruck. Dabei wird robustes Papier mit einer lichtempfi­ndlichen Gummiemuls­ion beschichte­t, der Farbpigmen­te beigemengt worden sind. Darauf wird das Schwarzwei­ßnegativ gelegt und dem Sonnenlich­t ausgesetzt. Es entsteht ein monochrome­s, gewollt diffuses, leicht verschwomm­enes Unikat.

Herzstück der Innsbrucke­r Ausstellun­g, die neben Leihgaben des Photoinsti­tuts Bonartes vorwiegend auf Bestände des Museums Folkwang in Essen zurückgrif­f, ist ein großformat­iger Negativpri­nt von Emma Kühn – sowie auch der Originalsc­hrank des Fotografen. In diesem Kasten, gefertigt von der Wiener Werkstätte, lagern bis heute papierene Schätze, grobkörnig­e Kartons und Büttenpapi­er ebenso wie feinste Japanische Faser. Bis 28. 1.

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Eine Fotografie wie ein Gemälde: „Die Wiese“(1898), Gummidruck von Heinrich Kühn.

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