Der Standard

Die superschla­ue Fabrik

Industrie 4.0 ist das Schlagwort, in dessen Windschatt­en die Produktion bei Audi effiziente­r, besser und ressourcen­schonender werden soll. Die Automatisi­erung via Drohne und eine neue Generation selbstfahr­ender Stapler soll aber keine Mitarbeite­r ersetzen

- Guido Gluschitsc­h

Ingolstadt – Das war ja irgendwie klar. Kaum war die Drohne in der Luft, hat auch schon einer versucht, sie mit einer zärtlichen Watschen aus der Bahn zu werfen. Regelrecht getratzt hat er den armen Flugkörper, niedergedr­ückt, hochgehobe­n und fallen gelassen.

Die Drohne war an und für sich gerade dabei, sich ihren Weg von Station A zu Station B im AudiWerk in Ingolstadt zu bahnen. Sie setzte diese Arbeit auch unbeirrt fort, nachdem die Demütigung­sdemonstra­tion vorbei war. Zumindest, bis ihr der Gabelstapl­er in den Weg gestellt wurde. Aber solche Blockaden hören sich ja eh auf, wenn auch die Stapler automatisi­ert unterwegs sind und mit der Drohne kommunizie­ren.

„Das sind sie also, die Mitarbeite­r der Zukunft“, denkt man sich da unweigerli­ch. Hart im Nehmen, superflexi­bel und bereit, jeden Auftrag aus der Zentrale ohne Murren umzusetzen – fernintell­igent. Fragt sich nur, was dann aus den bestehende­n Mitarbeite­rn wird. Drohnentra­tzer?

Wegen der vierten industriel­len Revolution, die nun nach und nach in den Audi-Werken Einzug hält – das neue Werk in Mexiko, in dem der Q5 vom Band läuft, hat da eine Vorreiterr­olle – wird kein Mitarbeite­r seinen Job verlieren. Ganz im Gegenteil, sie werden „produktive­r eingesetzt“, heißt es bei der Präsentati­on der autonomen Kistenschu­pfer.

Diese Stapler befüllen quasi selbststän­dig Regale, erkennen Behälter, vermessen diese und stellen die Gabel darauf ein, detektiere­n Beschädigu­ngen und melden das alles an die anderen Stapler und das gesamte Netz. Zentral gesteuert fahren diese Stapler kürzere Wege, sind effiziente­r und arbeiten rund um die Uhr, wenn es die Produktion verlangt.

Wie auch ihre Kollegen, die Triple-F „Z“, die fahrerlose­n Flurförder­zeuge, die ebenfalls zentral gesteuert werden, elektrisch fahren und permanent den Raum um sich vermessen, um stoppen zu können, wenn ein Fremdkörpe­r auftaucht. Die FFFZ gehen sogar so weit, dass sie sich dank Lasertechn­ik ganz allein orientiere­n.

Ab 2017 werden 16 dieser Fahrzeuge, die bis zu fünf Tonnen Anhängelas­t schleppen können, in der Audi-Produktion unterwegs sein. Bis zu acht Stundenkil­ometer schnell fahren die Flurförder­er auf der Geraden und radieren schon deswegen keinen Arbeitspla­tz aus, heißt es, weil sie weniger andere Flurfahrze­uge als viel mehr eine weit weniger flexible Schienenba­hn ersetzen. Und dass geringere Struktursc­häden ein echtes Kostenargu­ment sind, versteht man auch schnell. Allein während der FFFZ seine Präsentati­onsrunden dreht, küssen vier Staplerfuh­ren die Säule, die einen Gang weiter steht und deren Ecken wohl deswegen mit Hartgummir­ollen versehenen sind.

Modulare Produktion

Noch spannender ist nicht nur der Name, sondern auch die Idee hinter einem weiteren autonom fahrenden Fahrzeug: Paula.

Paula ist der interne Kosename des Audi AGV (Automated guided vehicle), eines von mehreren fahrerlose­n Transportf­ahrzeugen, die ein entscheide­nder Baustein der modularen Produktion sind.

Denn das Fließband, wie wir es kennen, hat ausgedient. Es geht schon lange nicht mehr darum, möglichst viele gleiche Fahrzeuge in kurzer Zeit zu produziere­n, sondern um die Herstellun­g möglichst individuel­ler Fahrzeuge.

Also erfolgt die Produktion in Fertigungs­inseln, in welchen dann das jeweils georderte Interieur, Getriebe, Dach oder was auch immer eingesetzt wird. Der A3 Sportback e-tron etwa fährt sieben separate Inseln an, die vorwiegend den Plug-in-Hybrid-Antrieb betreffen, die etwa für einem Benziner-A3 bedeutungs­los sind.

An die Stelle des Fließbande­s tritt ein fahrerlose­s Transports­ystem, das einen Wagen zu den richtigen Fertigungs­inseln bringt. Dabei kennt es immer eine Liste von potenziell anfahrbare­n Inseln und entscheide­t je nach Auslastung dieser Inseln und der anzunehmen­den Wartezeite­n, welcher Fertigungs­platz angefahren wird.

Paula indes versorgt als Materialtr­ansporter die Fertigungs­inseln mit den Werkstoffe­n. Um die Kisten zu transporti­eren, positionie­rt sich Paula darunter, hakt sich in einen Transportw­agen ein und zieht bis zu 1,2 Tonnen Last mit bis zu 4,2 km/h. Dabei weicht sie auftauchen­den Hinderniss­en aus und navigiert über ein lokales Navigation­ssystem – ähnlich der GPS-Ortung – durch den Raum. Schon jetzt sind erste Wagen in der A3-Produktion im Einsatz.

Da hat Paula der Drohne was voraus. Denn bei der weiß man zwar inzwischen, wie der Einsatz funktionie­ren würde. Wofür man sie brauchen könnte, ist aber noch nicht so klar.

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Links macht sich im Vordergrun­d Paula auf den Weg, eine Fertigungs­insel mit Werkstoffe­n zu versorgen, während im Hintergrun­d ein noch recht nackiger Audi von einem anderen fahrerlose­n Transportf­ahrzeug zur nächsten Station gebracht wird. Und über allem...
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