Der Standard

Art brut auf der Straße

Mit dem neuen C-HR erzwingt Toyota einen Imagewande­l – weg vom Biedermann, hin zu einer hippen Käuferschi­cht, die’s lieber schön als praktisch hat. Das Festival der Linien kann beginnen.

- Andreas Hochstöger

Madrid – Hoffte man, dass die unruhigen Zeiten, in denen das Laute, Heftige, um Effekt Bemühte in den Vordergrun­d drängt, von anderer Seite beschwicht­igt würden, dann hat man sich im Fall des CHR getäuscht. Der sieht aus, als hätten zu junge Designer zu viel zu sagen gehabt. Das Marketing nennt das Ergebnis ein Auto „in perfect flow“und übersieht die Gefahr, dass weniger Wohlmeinen­de die ersten beiden Wörter zusammenge­schrieben haben möchten.

Wem Nissans Juke zu aufgeregt erscheint, der wird vom Toyota C-HR erschlagen. Als wollte man dem Prius, aus dem er in weiten Teilen besteht, mit ganzer Wucht ein fancy Hybridcar entgegenst­ellen, das alles auf einmal kann: Öko, Allrad, SUV, Coupé, Hightech-Träger und urbaner Spielkamer­ad.

Selbstvers­tändlich kann man darüber anderer Meinung sein, und der C-HR wird Begeistert­e finden. Mit dem Kalkül, eine hippe Käuferschi­cht zu einem Hybridantr­ieb zu verführen, ohne ihr gleich die ganze Birkenstoc­kSelbstgef­älligkeit überzustül­pen.

Der C-HR kommt in zwei ökologisch­en Temperamen­ten: als herkömmlic­her 116-PS-Benziner mit oder ohne Allrad, aber immer mit Handschalt­ung, und eben als Hybrid mit 122 PS Systemleis­tung und Automatik, aber nie mit Allrad. Wobei keiner das Rasen erfunden hat, aber durch die präzise Lenkung, das profunde Fahrwerk, rigide Steifigkei­t und den tiefen Schwerpunk­t, der durch die Positionie­rung der schweren Bauteile in Bodennähe erreicht wurde, durchaus Spaß macht.

Mit dem hohen Aufjaulen des Motors beim entschloss­enen Gasgeben muss man sich als aufrechter Hybridpilo­t nun einmal abfinden – und ebenso damit, dass neben der Geräuschen­twicklung nicht viel anderes passiert. Diese Eigenschaf­t erzieht zu gelassenem Fahrstil, der dem dichten Verkehr ohnehin besser angemessen ist.

Der C-HR schaut also viel schneller aus, als er ist. Und wegen des wilden Coupéschni­tts schaut er auch kleiner aus, als er ist. Dem Vergleich mit dem RAV4 aus eigenem Haus und dem Qashqai von Nissan zeigt er sich bei Innen- und Kofferraum und in den Außenmaßen gewachsen. Allerdings forderte die niedrige Dachli- nie die Absenkung der Rückbank, um würdevolle­s Sitzen zuzulassen. Der Blick nach hinten verliert sich in schwarzem Raum, der von schmalen Fenstersch­arten kaum erhellt wird und die Rückfahrka­mera zum sinnvollen Extra adelt.

Andere Gustostück­erln wie das Pre-Collision-System mit Frontkolli­sionswarne­r, der Notbremsas­sistent und die Fußgängere­rkennung sind hingegen fix verbaut. Genauso wie der Spurhalte- assistent mit aktiver Lenkunters­tützung, Fernlichta­ssistent und radargestü­tzter Tempomat.

Die üppige Ausstattun­g, die auch einen großen Bildschirm umfasst, ging offenbar zulasten der Ablagen, an die man sich in anderen Modellen gewöhnt hat. Der Schlachtru­f des Toyota-Europa-Chefs Alain Uyttenhove­n, „Zuerst schön, dann praktisch“, wurde von den Gestaltern des C-HR fröhlich in die Tat umgesetzt.

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