Der Standard

Fläche und Farbe, aber auch Punkt, Strich, Komma

Gertraud und Dieter Bogner haben im Mumok eine Präsentati­on ihrer Sammlung zusammenge­stellt: „Konstrukti­on_Reflexion“. Bereits 2007 ging diese als Schenkung in den Besitz des Museums über, wo sie das Kunsthisto­rikerpaar um weitere Positionen ergänzt.

- Christa Benzer

Wien – Von der „gottlosen“geraden Linie hat Friedensre­ich Hundertwas­ser in Bezug auf die geometrisc­h-abstrakte Kunst der Nachkriegs­zeit angeblich gesprochen. Und der Kunsthisto­riker Hans Sedlmayr sah in den modularen Farbfläche­n, konstrukti­ven Quadraten und modernisti­schen Rastern eine „unmenschli­che Rationalit­ät“.

Das war zwar nicht wohlwollen­d gemeint, inhaltlich lagen die beiden aber gar nicht so falsch: Schließlic­h schien die klare Abgrenzung vom Mief der katholisch­en Kirche für die Künstler der Nachkriegs­zeit mindestens genauso wichtig gewesen zu sein wie die Überzeugun­g, dass man nach dem Wahnsinn der NS-Zeit wieder die Ratio stärken muss.

In der Sammlungsa­usstellung von Gertraud und Dieter Bogner im Mumok ist man auch gleich zu Beginn mit seiner eigenen Entscheidu­ngsfähigke­it konfrontie­rt: Auf einem Sockel steht ein Glas, das zur Hälfte mit Wasser gefüllt ist: Halbvoll/Halbleer (1975) heißt die Arbeit des tschechisc­hen Künstlers Frantisek Lésak (geb. 1943), der damit Fragen nach individuel­ler Wahrnehmun­g und Interpreta­tion des Faktischen stellt. Da Ersteres schwer objektivie­rbar ist, gleichzeit­ig aber ein wissenscha­ftlicher Anspruch hinter den versammelt­en Werken steckt, soll das Glas quasi leitmotivi­sch durch die Ausstellun­g Konstrukti­on_Reflexion führen.

Mit dem Titel referiert man auf die Geschichte der Sammlung, die ab 1979 durch die geometrisc­he Abstraktio­n und konstrukti­ve Gestaltung­sverfahren gekennzeic­hnet war; erst später kamen im Rahmen der Ausstellun­gen der Bog- ners auf Schloss Buchberg auch konzeptuel­le und medienrefl­exive Positionen hinzu: Eine davon war jene des US-amerikanis­chen Konzeptkün­stlers Dan Graham, der 1989 in Buchberg einen Glaspavill­on realisiert­e. Im Mumok ist das Modell seines Davidstern-Pavillons zu sehen, bei dem es ihm um das ortspezifi­sche Verdrängen bzw. Erinnern ging.

In ihrer Sammlungst­ätigkeit, schreiben Gertraud und Dieter Bogner, war das Wechselspi­el zwischen Formen und Inhalten bzw. die Politik der Form als Inhalt immer ein wichtiger Anspruch. Zentrale Motive sind dementspre­chend die „Theoriebez­üge von Malerei und Farbe, die Reflexion von Geschichte und Gesellscha­ft sowie das Verhältnis von Architektu­r, Skulptur und Abstraktio­n in der Tradition einer kritischen Moderne“.

Gemalte Zwölftonmu­sik

Zu dieser Herangehen­sweise passt, dass man in einem ersten Kapitel die Wahrnehmun­g der Betrachter zu schärfen versucht: Neben der Werkserie Hommage to the Square (ab 1950) von Josef Albers ist ein Bild des Schweizer Künstlers Richard Paul Lohse zu sehen, der die Tontechnik­en der Zwölftonmu­sik auf seine Farbfeldan­ordnungen übertrug.

Roland Goeschl steht mit seinen konstrukti­vistischen Stelen für die österreich­ische Kunst, die in der Sammlung der Bogners – neben zahlreiche­n osteuropäi­schen Positionen – sehr stark vertreten ist. Gesellscha­ft und Geschichte ist das Kapitel benannt, in dem man etwa Arbeiten von Marc Adrian aus den 50er-Jahren sieht. Der Wiener Künstler, vor allem für seine Op-Art bekannt, hat sich damals der Collage bedient, um NS- Propaganda­bilder zu demontiere­n. Ähnlich radikal hat sich später Peter Weibel der Nachkriegs­zeit angenommen: In sein Österreich-Zimmer (1982/1992) hat er „Österreich­isches“vom Plüschsofa über einen Nierentisc­h bis hin zu den Porträts ehemaliger Bundespräs­identen platziert.

Die Medieninst­allationen jüngeren Datums (u. a. von Dorit Margreiter oder David Maljkovic) deuten zwar darauf hin, dass man inhaltlich und medial weiterhin expandiert. Insgesamt ist jedoch unübersehb­ar, dass die Sammelleid­enschaft der Bogners (zumindest bislang) auf dem Reduzierte­n, formal Zurückgeno­mmenen liegt: Davon zeugen in der Ausstellun­g die monochrome­n Textilarbe­iten von Robert Adrian X genauso wie die Quadrat- Variatione­n von Heinz Gappmayr oder Arbeiten von Hartmut Böhm oder Stanislav Kolíbal.

Ihren minimalen Eingriffen eignet – ähnlich wie den strukturel­len Bildern von Dora Maurer oder der Op-Art von Hildegard Joos – eine immens hohe analytisch­e Präzision. Sobald man davor steht, wird aber auch deutlich, dass es viel weniger um das Rationale als um das sinnliche Erleben dieser Arbeiten geht. Bis 17. 4. 2017

 ?? Foto: Mumok ?? Steht der Betrachter zwischen dem farbigen Objekt auf dem Boden und dem Gitter an der Wand, wird er zum Bestandtei­l von Monika Brandmeier­s „erweiterte­r Malerei“: Ohne Titel, 1984.
Foto: Mumok Steht der Betrachter zwischen dem farbigen Objekt auf dem Boden und dem Gitter an der Wand, wird er zum Bestandtei­l von Monika Brandmeier­s „erweiterte­r Malerei“: Ohne Titel, 1984.

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