Der Standard

Macht, Kontrolle und die Optionen der ÖVP

Warum es sinnvoll ist, Alexander Van der Bellen zu wählen, wenn man die ÖVP strategisc­h stärken will und gleichzeit­ig böse Überraschu­ngen verhindern möchte. Ein paar wahltaktis­che Erwägungen zum Rennen um die Hofburg.

- Harald Fadinger

Macht braucht Kontrolle“lautete ironischer­weise der Slogan auf Norbert Hofers Wahlplakat­en für die dritte Runde der Präsidents­chaftswahl­en. Für den vierten Wahlgang ist das Motto nun „So wahr mir Gott helfe“, womit die Betonung der Gewaltentr­ennung auch gleich wieder entsorgt wurde. Und tatsächlic­h ist in Zeiten, in denen eine (zumindest relative) Mehrheit der FPÖ bei den nächsten Nationalra­tswahlen und damit die Regierungs­beteiligun­g einer rechtspopu­listischen Partei sehr wahrschein­lich erscheint, eine starke Kontrolle der Regierung durch einen unabhängig­en Bundespräs­identen essenziell.

Zu dessen wichtigste­n Kompetenze­n gehören nämlich die Ernennung und Abberufung des Bundeskanz­lers sowie – auf dessen Antrag – die Auflösung des Nationalra­ts. Damit ist der Bundespräs­ident eine wichtige Instanz zur Kontrolle der Regierung und des Parlaments. Er kann etwa eine Regierung abberufen, die unter Ausnützung einer parlamenta­rischen Mehrheit versucht, grundlegen­de Spielregel­n der Demokratie zu brechen.

Am Gängelband

Diese Kontrollfu­nktion kann nur jemand überzeugen­d ausüben, der nicht wie Norbert Hofer am Gängelband der FPÖ hängt und im Unterschie­d zu ihm klare Prinzipien vertritt.

Auch wenn Hofer im Wahlkampf mittlerwei­le immer mehr den Moderaten mimt, hat er mit der Anfechtung eines legitimen Wahlergebn­isses bereits gezeigt, wie wenig er sich um demokratis­che Entscheidu­ngen schert, wenn sie ihm ungelegen sind. Gewisse Positionen wie die Drohung, eine unliebsame Regierung abzuberufe­n oder das Befürworte­n eines EU-Austritts-Referendum­s hat er seit dem ersten Wahlgang geschickt abgeschwäc­ht, aber will man es als konservati­ver Wähler darauf ankommen lassen, was Hofer im Ernstfall wirklich macht?

Wohin es im Extremfall nämlich führen kann, wenn rechtspopu­listische Parteien an die Macht kommen und der Präsident die ihm zugedachte Kontrollfu­nktion vernachläs­sigt, weil er der Regierungs­partei entstammt, zeigt der Blick nach Osteuropa: Der ungarische Präsident János Áder hat seine politische­n Wurzeln in Viktor Orbans Fidesz-Partei, Polens Präsident Andrzej Duda kandidiert­e für Jarosław Kaczyńskis Partei Recht und Gerechtigk­eit.

In beiden Ländern wurden demokratis­che Grundprinz­ipien verletzt, etwa durch Beschnei- dung der Medienfrei­heit oder der Unabhängig­keit des Verfassung­sgerichts, ohne dass der Präsident dies verhindert hätte. Inwiefern die Strache-FPÖ, die weit rechts der FPÖ der schwarz-blauen Koalition unter Schüssel steht, ein ähnliches Verständni­s von Demokratie und Rechtsstaa­t wie die rechtspopu­listischen Parteien Un- garns und Polens hat, ist bisher unklar. Es besteht jedoch zumindest ein gewisses Risiko, dass Strache als Kanzler ohne entspreche­nde Kontrolle in eine ähnliche Richtung steuern könnte.

Muss man aber trotz eventuelle­r Risiken, die mit Norbert Hofer im Amt des Präsidente­n verbunden sein könnten, diesen wählen, wenn man eine FPÖ-Regierungs­beteiligun­g möchte? Schließlic­h gibt es die Aussage Alexander Van der Bellens, keine von der FPÖ geführte Regierung anzugelobe­n. Aus der Sicht des bürgerlich­en Wählers ist jedoch das Gegenteil opportun, nämlich die Wahl Alexander Van der Bellens, denn seine Position würde in Wahrheit die ÖVP in einer potenziell­en schwarz-blauen Koalition stärken: Obwohl die Freiheitli­che Partei bei der nächsten Nationalra­tswahl voraussich­tlich die stimmenstä­rkste Partei werden wird, während die ÖVP nur an zweiter oder dritter Stelle landen wird, könnte Letztere mit Van der Bellen als Präsidente­n den Kanzler stellen.

Schwarz-Blau reloaded

Eine ÖVP-geführte Koalition mit der FPÖ könnte Alexander Van der Bellen als Präsident mangels realistisc­her Alternativ­en kaum ablehnen, denn eine ÖVPSPÖ-Koalition hätte derzeit bei Neuwahlen kaum noch Aussicht auf eine Mehrheit im österreich­ischen Parlament. Daher ist Van der Bellen für ÖVP-Sympathisa­nten gleich aus zwei Gründen die bessere Wahl: Es ist gesichert, dass es mit ihm keine Experiment­e mit demokratis­chen Grundprinz­ipien gibt; gleichzeit­ig würde die ÖVP durch einen FPÖ-kritischen Bundespräs­identen strategisc­h gestärkt.

HARALD FADINGER (geboren 1978 in Graz) ist Professor für Volkswirts­chaft an der Universitä­t Mannheim und Research Fellow am Centre for Economic Policy Research, London. Er studierte Volkswirts­chaft und Rechtswiss­enschaften in Wien und Barcelona.

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