Der Standard

Die Niederlage der Türkei

- Markus Bernath

Wer keine Verantwort­ung übernimmt, wird irgendwann eben zur Verantwort­ung gezogen. Das Europaparl­ament hat sich diese Freiheit genommen und den türkischen Staatspräs­identen mit der Konsequenz der fortgesetz­ten Missachtun­g europäisch­er Grundwerte konfrontie­rt. Die Beitrittsg­espräche mit der Türkei sollen „vorläufig eingefrore­n“werden, so lautet – fraktionsü­bergreifen­d – die Aufforderu­ng an EU-Kommission und Mitgliedsl­änder. Tayyip Erdogans Wandlung zum autoritäre­n Staatschef, der Journalist­en und Opposition­spolitiker ins Gefängnis werfen lässt und die Gewaltente­ilung zwischen Parlament, Justiz und Exekutive bereits zu einem großen Teil aufhob, hat ihren Preis.

Man mag es drehen und wenden, das Parlament der 510 Millionen Bürger in Straßburg kleinzured­en versuchen und den rechtlich nicht bindenden Charakter der Resolution betonen: Es ist eine große politische Niederlage der Türkei. Und es wird ihre größte seit Gründung der Republik vor bald 100 Jahren sein, sollten nach dem EU-Parlament auch die EU-Regierunge­n tatsächlic­h einmal die Aussetzung oder das Ende des Beitrittsp­rozesses beschließe­n. Die Westorient­ierung der Türkei wäre dann gescheiter­t.

Erdogan will sie ohnehin nicht mehr. Wer wie er seine Partner in EU und Nato nun täglich als Unterstütz­er von Terrorismu­s und als lügnerisch­e Islamfeind­e beschimpft, arbeitet gezielt auf das Ende des Beitrittsp­rojekts hin.

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