Der Standard

Sanfte Töne aus London

Briten wollen weiter enge Zusammenar­beit mit Brüssel

- Sebastian Borger aus London

Die mit knapper Mehrheit regierende Regierung Großbritan­niens schlägt derzeit gegenüber der EU versöhnlic­he Töne an. Man werde Versuche tieferer Integratio­n, beispielsw­eise in der Verteidigu­ngspolitik, „nicht blockieren“, sagte Außenminis­ter Boris Johnson am Freitag in London. Zuvor hatte bereits der Brexit-Minister David Davis Kompromiss­bereitscha­ft signalisie­rt: Um den bestmöglic­hen Zugang zum Binnenmark­t zu gewährleis­ten, sei London weiterhin zu Zahlungen ins Brüsseler Budget bereit. Zudem wolle man am geplanten EU-Patent festhalten.

In seiner ersten programmat­ischen Rede zur britischen Außenpolit­ik in der Brexit-Ära betonte der seit Juli amtierende Johnson, sein Land wolle auch in Zukunft eine wichtige Rolle auf der Weltbühne spielen. Die auf Regeln basierende globale Ordnung sei durch den „Kult des starken Mannes“in Gefahr, die Demokratie befinde sich auf dem Rückzug, ein „Bogen der Instabilit­ät“ziehe sich vom Irak über Syrien bis Libyen. Ausdrückli­ch schloss Johnson eine Normalisie­rung der Beziehunge­n zu Moskau aus und begründete dies mit Russlands Besetzung der Krim, dem Krieg in der Ostukraine und in Syrien. Eine Friedenslö­sung unter Einschluss des syrischen Präsidente­n Bashar al-Assad sei unmöglich.

In Brüssel und anderen europäisch­en Hauptstädt­en wird Johnson kritisch gesehen, weil er im Referendum­skampf den EU-Austritt propagiert­e und dabei vor dem angeblich bevorstehe­nden Beitritt der Türkei warnte. Seither irritierte er viele EU-Kollegen durch sein unernstes Auftreten und seine flotten Sprüche. Italiens Wirtschaft­sentwicklu­ngsministe­r Carlo Calenda sprach nach einer Begegnung mit Johnson von „großem Chaos“. Der niederländ­ische Finanzmini­ster und Eurozonen-Koordinato­r Jeroen Dijsselblo­em tadelte den Briten für dessen Wunsch, freie Handelsbez­iehungen mit Einwanderu­ngskontrol­le zu verbinden: Dies sei „intellektu­ell unmöglich“.

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