Avantgarden auf Erfolgskurs
Das Dorotheum blickt auf ein ausgezeichnetes Auktionsjahr zurück. Die Sparte Zeitgenössische Kunst trumpfte mit Rekorden und die klassische Moderne mit berühmten Namen auf.
Wien – „Viva Italia!“, hieß es 2016 abermals bei den Zeitgenossenauktionen des Dorotheums. Wer hätte gedacht, dass das Wiener Traditionshaus je ein so gefragter Umschlagplatz für die Mailänder Nachkriegsavantgarden werden würde? Dank den Niederlassungen im südlichen Nachbarland gelangt Kunst aus den 1960er- und 1970er-Jahren über die Alpen, die hier begeisterten Absatz findet.
Als geistiger Vater jener Kunst gilt Lucio Fontana, dessen visionäre Raumkonzepte enormen Einfluss hatten. Dem Italo-Argentinier reichte ein Messer, um konzeptionell mit einem halben Jahrtausend Malereigeschichte zu brechen. Aus Fontanas Spätwerk wurde im Mai ein blaues Monochrom um 735.000 Euro versteigert (inkl. Aufgeld), bei dem ein singulärer Schlitz 1967/68 den Aufbruch in eine unbekannte Dimension markiert.
Die Licht-Schatten-Spiele auf den strukturierten Leinwänden von Fontanas Mitstreiter Enrico Castellani sind derzeit gefragter denn je, aber auch wenig bekannte Namen der konkreten Kunst liefen im Dorotheum zu Höchstform auf. Von der Römerin Carla Accardi erzielte eine 1966 entstandene Komposition aus wellenförmig bemalter Folie auf weißem Grund den Auktionsrekord von 234.800 Euro. Rodolfo Aricò kreierte schlicht-raffinierte Bildobjekte, von denen eine tomatenrote Variante die neue Bestmarke 137.200 Euro setzte. Paolo Scheggi, Tano Festa, Dadamaino und Giuseppe Uncini stellen nur einige der Italiener dar, deren Werke im Dorotheum neue Besitzer fanden.
Neue Künstlerrekorde
Zu den wiederentdeckten und nun höher bewerteten Künstlern zählt auch der Kroate Julije Knifer (1924–2004), dessen Gemälde schwarz-weißer Mäander unver- kennbar sind. Das Dorotheum setzte im Mai für Knifer einen neuen Künstlerrekord, den es im November neuerlich übertraf.
Aus Deutschland zählten in dieser Saison die Nagelbilder des Zero-Künstlers Günther Uecker zu den Stammgästen. Dessen minimalistische Reihung von 1970 war nicht unter 344.600 Euro zu haben. Bei der Kunst aus den USA setzte sich heuer ein großformatiges Frauenporträt von Tom Wesselmann an die Spitze, gefolgt von einem Pin-up-Gemälde von Marilyn Monroe seines Pop-Kollegen Mel Ramos. Für die Internationalität des Angebots spricht die bronzene Badende des ob seiner üppigen Frauendarstellungen bekannt gewordenen Kolumbianers Fernando Botero.
Mit Gemälden von Größen der Kunstgeschichte konnten die Auktionen klassischer Moderne auftrumpfen. Die Taufe der Masken titelt das in seinen Perlmutttönen schillernde Ölbild des belgischen Mystikers James Ensor. Groß war die Freude, als das um 1925 entstandene Werk die Millionengrenze überschritt. Die Blütenpracht eines Bouquets von Marc Chagall mobilisierte im Herbst die Telefonbieter, die für Fleurs über eine Million Euro bewilligten. Die beste Ansteigerung erfuhren die Zeichnungen für den Weltausstellungsfries „Merlinsage“des Secessionisten Josef Engelhardt, die ihre Taxe von 8000 bis 14.000 Euro mit dem Ergebnis 210.400 Euro weit abhängten.