Der Standard

Endlich vorbei

Das Hauen und Stechen im Wahlkampf hat Kandidaten und Amt beschädigt

- Alexandra Föderl-Schmid

Es ist vollbracht. Endlich ist dieser mit 50 Wochen längste Wahlkampf in der Nachkriegs­geschichte vorbei, das letzte TV-Duell der beiden Kandidaten hat noch einen Tiefpunkt beschert. Es war ein Hauen und Stechen, phasenweis­e erinnerte die Auseinande­rsetzung an Schlammcat­chen.

Beide Kandidaten überrascht­en mit aggressive­n An- und Untergriff­en: Alexander Van der Bellens Berater hatten ihm keinen guten Dienst erwiesen, als sie ihm das Foto seines verstorben­en Vaters und die Taferln mit ins Fernsehstu­dio gaben. Man kann aus einem Kaunertale­r keinen Bärentaler machen. Der stets bedächtig wirkende Wirtschaft­sprofessor wirkte zwar munterer als bei anderen Wahlkampfa­uftritten, aber Van der Bellen ist kein Typ für diese Form des politische­n Wrestlings. Das kann Norbert Hofer allemal besser – und setzte das in der Endphase offen ein.

Dass auch Hofer in diesem letzten Duell sein Kampfläche­ln ablegte, erstaunte genauso: Als die Maske fiel, blieb nichts mehr übrig vom bemüht staatsmänn­ischen Auftreten der vergangene­n Monate und vom Biedermann aus Pinkafeld, sondern nur die übliche Bierzeltrh­etorik. Und dass von Hofer gleich 24-mal der Vorwurf der Lüge kam, zeigt: Der Angreifer versuchte sich als Opfer zu profiliere­n – auch das ist bekannte blaue Taktik.

Beide Kandidaten haben versucht, sich mit Untergriff­en für das Oberhaupt des Staates zu qualifizie­ren, indem sie sich gegenseiti­g abqualifiz­ierten. Auch wenn die meisten Attacken von FPÖ-Seite kamen und zum Krypto-Kommuniste­n auch noch der längst entkräftet­e Spion-Vorwurf kam: Van der Bellen hat sich auf ein Niveau begeben, auf das er sich noch in seiner Zeit als Grünen-Chef nie hätte bewegen lassen. Zur Motivierun­g von Unentschlo­ssenen, doch zur Wahl zu gehen, haben der ganze Wahlkampf und erst recht nicht die TV-Auftritte beigetrage­n. So gab es an diesem Abend keinen Sieger, sondern einen Verlierer: das Amt des Bundespräs­identen. Denn ein Staatsober­haupt sollte Souveränit­ät ausstrahle­n, die haben beide – wenn auch in unterschie­dlichem Maße – missen lassen. Auch deshalb ist es gut, dass dieser Wahlkampf endlich vorbei ist.

Die Polarisier­ung in diesem Land hat seit der Stichwahl noch weiter zu- genommen. Vieles, was zu Beginn des Jahres undenkbar schien, ist eingetrete­n: auf der Weltbühne, aber auch in Österreich. Es entlädt sich der Protest der Bürger in der Wahlkabine, die politische Mitte erodiert – in Österreich symbolisie­rt durch das klägliche Scheitern der Kandidaten der Regierungs­parteien SPÖ und ÖVP, die in der Nachkriegs­geschichte immer den Bundespräs­identen gestellt haben und diesmal jeweils auf nur rund elf Prozent der Stimmen kamen. Das von Roten und Schwarzen geprägte Nachkriegs­system in Österreich ist abgewählt worden.

Beim Mediengipf­el in Lech analysiert­e der mit der Weisheit von fast 80 Jahren gesegnete ehemalige tschechisc­he Außenminis­ter Karel Schwarzenb­erg die Gründe: Sozialdemo­kraten und Konservati­ve hätten seit 40 Jahren keine neuen Ideen mehr. Der Aufstieg der Populisten sei nicht deren großer Sieg, sondern die Niederlage der anderen Parteien.

Das ist, anders ausgedrück­t, der Denkzettel, den viele an der Urne abgeben. Schwarzenb­ergs Mahnung, dass Demokratie und Freiheit nicht selbstvers­tändlich zu nehmen seien, sollte alle bewegen, zur Wahl zu gehen.

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