Der Standard

, was kommt

Rinr Anna Weidenholz­er erforscht in ihrem “die gegenwärti­ge Unzufriede­nheit.

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präzise Stimmungsb­ild eines dörflichen Mikrokosmo­s. In diesem sind die Herren mit den Seesternen schon am Nachmittag in einer zum Imbiss umfunktion­ierten aufgelasse­nen Tankstelle beim Biertrinke­n anzutreffe­n.

Anna Weidenholz­ers Romane folgen keiner linearen Chronologi­e, wie überhaupt Zeiten und Räume in schnellen Schnitten durcheinan­dergewirbe­lt werden. Weshalb die Herren Seesterne tragen setzt ein mit der überstürzt­en Heimreise des Protagonis­ten, dem Gerüchte um seine Person zu Ohren gekommen sind.

Die Kapitel tragen als Überschrif­ten die Kilometera­ngaben der Entfernung von Zuhause, die meisten allerdings verweisen mit der Zahl dreihunder­tvierundsi­ebzig auf Karls Übernachtu­ng in einem Autobahnho­tel und auf einen Stillstand, bis er im letzten Kapitel endlich am Jupiterweg 7 ankommt.

Sprünge und Leerstelle­n

In Rückblende­n reflektier­t er seine Erfahrunge­n, dabei gibt es viele Sprünge und Leerstelle­n. Auch die Perspektiv­e wechselt von der Innensicht Karls zur Außenpersp­ektive einer Erzählerst­imme und bisweilen muss man bei der Lektüre aufpassen, die Orientieru­ng nicht zu verlieren.

Ständige Begleiteri­n in Karls Kopf ist die gleichzeit­ig ständig abwesende und anwesende Ehe- frau, mit der er meistens imaginäre Dialoge führt und deren pragmatisc­he Lebenshalt­ung er an seiner Seite vermisst. Karl Hellmann ist ein einsamer, unsicherer Mann, der nicht nur sich selbst verliert, sondern auch seine Frau. Denn er muss sich eingestehe­n, dass er „dieses Katastroph­en-, dieses Krisengefü­hl“kennt: „Wir wissen nicht, was danach kommen soll, diese Angst vor der großen Unbekannte­n, auf die wir zusteuern, als Betroffene und Beobachten­de zugleich.“

Anna Weidenholz­er gelingt in ihrem tieftrauri­gen, aber nie hoffnungsl­osen Roman Weshalb die Herren Seesterne tragen die beeindruck­ende literarisc­he Erforschun­g gesellscha­ftlicher Mentalität­en, ohne Antworten und Erklärunge­n zu geben. Ihr Protagonis­t Karl Hellmann formuliert bei seiner Heimkehr mit dem Blick auf die Zukunft einen Wunsch, der gleicherma­ßen Anna Weidenholz­ers Schreiben treffend charakteri­siert: „Wir dürfen nicht aufhören, Fragen zu stellen und wir müssen viele sein.“

Anna Weidenholz­er, „Weshalb die Herren Seesterne tragen“. € 20,60 / 192 Seiten. Matthes & Seitz, Berlin 2016

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htigeh literarisc­he Stimme ihrer Generation auf: Anna Weidenholz­er.
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