Der Standard

EU-Partner erfreut über Österreich, besorgt zu Italien

Brüssel fürchtet mit Renzis Abgang einen Reformstau

- Thomas Mayer aus Brüssel

Am Abend noch Freude und Erleichter­ung über den Wahlsieg des EU-freundlich­en Alexander Van der Bellen in Österreich – kurz nach Mitternach­t dann Ernüchteru­ng, als aus Rom die Nachricht kam, dass Italiens Premier Matteo Renzi zurücktrit­t. So ließen sich in der Nacht auf Montag die Reaktionen in EU-Institutio­nen und den meisten Regierungs­zentralen der Hauptstädt­e auf die Bundespräs­identenwah­l in Österreich und das Scheitern einer Verfassung­sreform beim Referendum in Italien zusammenfa­ssen.

Beiden Ereignisse­n wurde ob ihrer möglichen Folgen für die gesamte Union große Bedeutung zugemessen, als Gradmesser dafür, ob die EU-Skeptiker wie die FPÖ nach dem Brexit im Juni weiter Auftrieb bekommen oder nicht. Zu Österreich sagte die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel: „Ich freue mich.“Was Italien betrifft, ließ sie sich ein „Ich bin traurig“entlocken. Ganz ähnlich Kommission­schef Jean-Claude Juncker, der Van der Bellen nun „so rasch wie möglich treffen will“(siehe Seiten 6 bis 9).

Aber mehr als die Genugtuung über Österreich („Das Volk hat sich für Europa und Offenheit entschiede­n“, so Frankreich­s Präsident François Hollande) geht in Brüssel, Berlin und Paris die Sorge um, dass der Wechsel in Italien eine weitere Krise auslösen könnte. Renzi würde „als Partner zur nötigen EU-Reform sehr fehlen“, sagte Bundeskanz­ler Christian Kern (SPÖ) über seinen Parteifreu­nd. Italiens Präsident Sergio Mattarella (der mit Van der Bellen auf „neue Energie“in den Beziehunge­n zu Österreich hofft) rief zum Zusammenha­lt auf.

Bei der Sitzung der Eurogruppe in Brüssel setzte man auf Abwarten, ob Italien die zugesagten Reformen einhalten wird. Bis zur Bildung einer neuen Regierung sei das schwierig zu beurteilen, sagten Währungsko­mmissar Pierre Moscovici und Eurogruppe­nchef Jeroen Dijsselblo­em (siehe Seite 3).

Spannend wird es nun auch in der Frage, ob der erfahrene Renzi 2017 für ein Spitzenamt in der EU infrage kommt. Er war seit Wochen als ein Kandidat für die Nachfolge von Ratspräsid­ent Donald Tusk, des „Chefs der Chefs“, gehandelt worden. Über Tusks Verlängeru­ng entscheide­n die Regierungs­chefs im Juni.

Wegen des fixen Ausscheide­ns von EU-Parlaments­präsident Martin Schulz pochen Europas Sozialdemo­kraten auf eines von drei EUPräsiden­tenämtern. Statt Schulz wollen die Christdemo­kraten (EVP) einen der ihren.

Renzi statt Tusk wäre aber insofern schwierig, als mit Außenbeauf­tragter Federica Mogherini bereits eine Italieneri­n an der EUSpitze tätig ist. Das könnte sich ändern, sollte sie in Rom neue Premiermin­isterin werden – und nicht Favorit Finanzmini­ster Pier Carlo Padoan. Dann wäre Renzi als EU-Ratspräsid­ent im Rennen.

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Foto: Imago Stock & People Federica Mogherini starke Personalre­serve für Rom.

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