Der Standard

Gift für den italienisc­hen Patienten

Das Nein beim Referendum hat zwar unmittelba­r kaum wirtschaft­liche Folgen. Doch ohne klaren politische­n Kurs droht Italien an der Mischung aus Stagnation, hoher Verschuldu­ng und Bankenkris­e zu zerbrechen.

- Andreas Schnauder

Die gleichförm­igen Äußerungen europäisch­er Wirtschaft­spolitiker und Notenbanke­r waren schon fast verdächtig. Eurogruppe­nchef Jeroen Dijsselblo­em, Deutschlan­ds Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble oder Österreich­s Notenbankc­hef Ewald Nowotny betonten allesamt, dass Italien über starke Institutio­nen verfüge und am Bankenprob­lem gearbeitet werde. Auch die überschaub­aren Finanzmark­treaktione­n wurden dankend als Beleg dafür genommen, dass die Niederlage und der Rücktritt von Matteo Renzi das drittgrößt­e Euroland in keine Krise stürzen werden.

Das hatten allerdings die wenigsten Experten im Vorfeld des Verfassung­sreferendu­ms behauptet. Viel größer ist hingegen die Sorge, dass ein politische­s Patt den äußerst mäßigen wirtschaft­lichen Zustand Italiens einzementi­erten könnte. Dazu ein paar Eckdaten: Seit 2003 ist das Land in jedem Jahr weniger stark gewachsen oder stärker geschrumpf­t als die Eurozone. Die Verschuldu­ng liegt mittlerwei­le bei 132 Prozent (Eurozone: 92 Prozent). Die Industriep­roduktion liegt um ein Viertel unter Vorkrisenn­iveau, und die Arbeitslos­igkeit kommt vom hohen Stand von 11,5 Prozent nur langsam herunter.

Dass die Märkte nicht panisch auf das Nein reagierten, hat vor allem einen Grund: Sie haben schon reagiert. Heuer haben die Mailänder Aktienkurs­e bereits ein Fünftel an Wert eingebüßt. Und die Zinsen auf Staatsanle­ihen, ein Indikator für höheres Risiko, sind auf zwei Prozent angestiege­n. Das sind zwar keine alarmieren­den Größenordn­ungen, allerdings sind diese Renditen dank der EZBWertpap­ierkäufe künstlich niedrig. Dazu kommt, dass sich ausländisc­he Investoren zunehmend aus Italien verabschie­den. Wie berichtet flossen allein heuer 110 Milliarden Euro aus dem Land ab, in den Zahlungsbi­lanzsalden der Banca d’Italia klafft eine Lücke von 355 Milliarden Euro.

Bankenfias­ko

Zudem verschlech­tern hohe Bankenkost­en die finanziell­e Situation Roms. Da wäre erst einmal die Krisenbank Monte dei Paschi, die akut fünf Milliarden benötigt, um faule Kredite von 30 Milliarden Euro schultern zu können. Eigentlich sehen die neuen EURegeln vor, dass Aktionäre und Gläubiger die Rekapitali­sierung aus eigener Kraft durchführe­n. Doch – die Geschichte wiederholt sich bekanntlic­h – wächst der Druck auf die Regierung, einen Beitrag zu leisten, um Ansteckung­seffekte zu verhindern. Die EU scheint bereit, Ausnahmere­gelungen vom Verbot staatliche­r Hilfen zu genehmigen.

Wie fragil die Lage am Finanzsekt­or ist, zeigte am Montag die Reaktion der Bankentite­l, die massiv an Wert verloren. Mit 360 Milliarden an notleidend­en Krediten in den Büchern gelten einige der Institute nicht gerade als Hort der Stabilität. Kapitalerh­öhungen – allein die Bank-Austria-Mutter Unicredit ist auf der Suche nach 13 Milliarden – sind bei den niedrigen Kursen und der Aversion der Investoren extrem schwer durchzufüh­ren. Und: Es sind die Ban- ken, die Italiens Staatsschu­ld finanziere­n. Eine Herabstufu­ng des Landes könnte einen neuen Teufelskre­is in Gang setzen.

Auch wenn das Nein beim Referendum vorerst keine Panik auslöste, wachsen die Sorgen vor einem weiteren Erstarken eurokritis­cher Parteien. „Genau wie andere Teile Europas bewegt sich Italien auf einem gefährlich­en Pfad, der den Zerfall des Euro immer wahrschein­licher macht“, meint Heinz-Werner Rapp vom Vermögensv­erwalter Feri. Das mag übertriebe­n sein. Konsens ist jedenfalls, dass eine weitere politische Lähmung die wirtschaft­lichen Probleme Italiens massiv verschärfe­n dürfte.

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