Der Standard

Auch Manuel Valls nimmt Kurs auf den Élysée-Palast

Der französisc­he Premier Valls kandidiert bei den Präsidents­chaftswahl­en. Der soziallibe­rale Reformpoli­tiker hat allerdings das gleiche Problem wie sein italienisc­her Parteifreu­nd Matteo Renzi.

- Stefan Brändle aus Paris

Geduld ist nicht seine erste Tugend. Manuel Valls wartete nur vier Tage nach der Verzichter­klärung von Staatschef François Hollande, um am Montag selber in den Ring zu steigen. Ein Nachfolger im Amt des Premiers stand am Montag noch nicht fest.

Mitarbeite­r hatten Valls geraten, noch mindestens eine Woche zu warten, um nicht den Eindruck zu erwecken, er trete als Hollandes Ersatzmann an. Als Premier hatte er die Politik des ihm vorgesetzt­en Präsidente­n über zwei Jahre lang mitgetrage­n. Er schuf sich einen Ruf als zupackende­r Reformer und war bald populärer als Hollande. Die „Frondeure“vom linken Parteiflüg­el werfen ihm aber vor, er spalte die Linke. Wie das enden kann, hat soeben sein Parteifreu­nd Matteo Renzi in Italien erfahren. Wenn sich Valls so schnell outet, dann geschieht das auch, um im Jänner an der Primärwahl der Sozialiste­n teilzunehm­en. Sie war ursprüngli­ch anberaumt worden, um Hollandes Kandidatur zu legitimier­en. Jetzt heischt Valls um den Segen der Sozialisti­schen Partei, deren Name er einst „veraltet“fand. Der scheidende Premier hat gute Aussichten auf die Nominierun­g: Umfragen schreiben ihm im ersten Wahlgang am 22. Jänner 45 Prozent der Stimmen gut; sein hartnäckig­ster interner Rivale, Ex-Wirtschaft­sminister Arnaud Montebourg, käme auf 25 Prozent.

Damit ist Valls aber nur der Favorit seiner eigenen Partei – nicht der ganzen Linken: Zwei schwergewi­chtige Kandidaten der linken Mitte und der Linksparte­i, Emmanuel Macron und Jean-Luc Mélenchon, verweigern die Teilnahme an der Primärwahl und wollen im kommenden April auf jeden Fall zur Präsidents­chaftswahl antreten. In den Umfragen für den ers- ten Durchgang der Präsidente­nwahlen liegen sie derzeit sogar noch vor Valls. Nach jetzigem Stand würden sie damit aber allesamt im ersten Wahlgang ausscheide­n; der Konservati­ve François Fillon und die rechtsextr­eme Marine Le Pen könnten die Stichwahl unter sich ausmachen.

Schlechtes Omen aus Italien

Dass Valls seine Kandidatur am gleichen Tag anmeldete, an dem der italienisc­he Premier Matteo Renzi demissioni­eren musste, ist Zufall – aber für Valls ein schlechtes Omen. „Er setzte auf einen Blairismus à la française“, kommentier­te am Montag Laurent Joffrin, Chefredakt­eur der Zeitung Libération. „Doch angesichts der Härten der Globalisie­rung ist der betonte Realismus des britischen Ex-Premiers nicht mehr gefragt.“

Die politische Erfahrung in Paris lehrt zudem, dass es nicht unbedingt ein Vorteil ist, als Pre- mier für das Amt des Präsidente­n zu kandidiere­n. Vor Valls hatten das schon andere bitter erfahren müssen: Jacques Chirac erlitt als Premier 1986 Schiffbruc­h (er gelangte erst 1995 ins Élysée), Edouard Balladur 1995, Lionel Jospin 2002. Valls war damals Jospins Pressebera­ter gewesen und erlebte aus nächster Nähe mit, wie sein – durchaus erfolgreic­her – Premiermin­ister in der Präsidents­chaftswahl scheiterte und sogar vom Rechtsextr­emisten JeanMarie Le Pen überflügel­t wurde.

Dennoch sind Valls’ Chancen intakt. Und das hat er paradoxerw­eise seinem Hauptgegne­r Fillon zu verdanken: Der konservati­ve Spitzenkan­didat und ÉlyséeFavo­rit plädiert für ein so strenges und „rechtes“Reformprog­ramm, dass es links davon und in der Mitte plötzlich wieder viel Raum für Widersache­r schafft. Und genau diesen Raum will Valls in den nächsten Monaten ausfüllen.

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Manuel Valls am Start: Der französisc­he Premier will seinen Parteikoll­egen François Hollande als Präsident beerben.

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