Auch Manuel Valls nimmt Kurs auf den Élysée-Palast
Der französische Premier Valls kandidiert bei den Präsidentschaftswahlen. Der sozialliberale Reformpolitiker hat allerdings das gleiche Problem wie sein italienischer Parteifreund Matteo Renzi.
Geduld ist nicht seine erste Tugend. Manuel Valls wartete nur vier Tage nach der Verzichterklärung von Staatschef François Hollande, um am Montag selber in den Ring zu steigen. Ein Nachfolger im Amt des Premiers stand am Montag noch nicht fest.
Mitarbeiter hatten Valls geraten, noch mindestens eine Woche zu warten, um nicht den Eindruck zu erwecken, er trete als Hollandes Ersatzmann an. Als Premier hatte er die Politik des ihm vorgesetzten Präsidenten über zwei Jahre lang mitgetragen. Er schuf sich einen Ruf als zupackender Reformer und war bald populärer als Hollande. Die „Frondeure“vom linken Parteiflügel werfen ihm aber vor, er spalte die Linke. Wie das enden kann, hat soeben sein Parteifreund Matteo Renzi in Italien erfahren. Wenn sich Valls so schnell outet, dann geschieht das auch, um im Jänner an der Primärwahl der Sozialisten teilzunehmen. Sie war ursprünglich anberaumt worden, um Hollandes Kandidatur zu legitimieren. Jetzt heischt Valls um den Segen der Sozialistischen Partei, deren Name er einst „veraltet“fand. Der scheidende Premier hat gute Aussichten auf die Nominierung: Umfragen schreiben ihm im ersten Wahlgang am 22. Jänner 45 Prozent der Stimmen gut; sein hartnäckigster interner Rivale, Ex-Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg, käme auf 25 Prozent.
Damit ist Valls aber nur der Favorit seiner eigenen Partei – nicht der ganzen Linken: Zwei schwergewichtige Kandidaten der linken Mitte und der Linkspartei, Emmanuel Macron und Jean-Luc Mélenchon, verweigern die Teilnahme an der Primärwahl und wollen im kommenden April auf jeden Fall zur Präsidentschaftswahl antreten. In den Umfragen für den ers- ten Durchgang der Präsidentenwahlen liegen sie derzeit sogar noch vor Valls. Nach jetzigem Stand würden sie damit aber allesamt im ersten Wahlgang ausscheiden; der Konservative François Fillon und die rechtsextreme Marine Le Pen könnten die Stichwahl unter sich ausmachen.
Schlechtes Omen aus Italien
Dass Valls seine Kandidatur am gleichen Tag anmeldete, an dem der italienische Premier Matteo Renzi demissionieren musste, ist Zufall – aber für Valls ein schlechtes Omen. „Er setzte auf einen Blairismus à la française“, kommentierte am Montag Laurent Joffrin, Chefredakteur der Zeitung Libération. „Doch angesichts der Härten der Globalisierung ist der betonte Realismus des britischen Ex-Premiers nicht mehr gefragt.“
Die politische Erfahrung in Paris lehrt zudem, dass es nicht unbedingt ein Vorteil ist, als Pre- mier für das Amt des Präsidenten zu kandidieren. Vor Valls hatten das schon andere bitter erfahren müssen: Jacques Chirac erlitt als Premier 1986 Schiffbruch (er gelangte erst 1995 ins Élysée), Edouard Balladur 1995, Lionel Jospin 2002. Valls war damals Jospins Presseberater gewesen und erlebte aus nächster Nähe mit, wie sein – durchaus erfolgreicher – Premierminister in der Präsidentschaftswahl scheiterte und sogar vom Rechtsextremisten JeanMarie Le Pen überflügelt wurde.
Dennoch sind Valls’ Chancen intakt. Und das hat er paradoxerweise seinem Hauptgegner Fillon zu verdanken: Der konservative Spitzenkandidat und ÉlyséeFavorit plädiert für ein so strenges und „rechtes“Reformprogramm, dass es links davon und in der Mitte plötzlich wieder viel Raum für Widersacher schafft. Und genau diesen Raum will Valls in den nächsten Monaten ausfüllen.