Bad Aibling: Fahrdienstleiter muss ins Gefängnis
Zwölf Menschen starben am Faschingsdienstag beim Zusammenprall zweier Züge in Bayern, 89 wurden verletzt. Das Unglück geschah, weil der Fahrdienstleiter am Handy spielte und falsche Signale gab. Er wurde nun zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.
Bad Aibling / Traunstein – „Ich leide massiv darunter.“Dies erklärte Fahrdienstleiter Michael P. am letzten Verhandlungstag, bevor das Urteil am Landgericht Traunstein erging, noch einmal. Schon am ersten der sechs Prozessstage hatte er ein Geständnis abgelegt und dabei auch betont, wie sehr ihm das Geschehen vom 9. Februar, dem Faschingsdienstag, leidtue und wie sehr es ihn quäle.
Sein Geständnis milderte die Strafe ein wenig ab. Doch mit dreieinhalb Jahren Gefängnis lag das Gericht nicht weit von der Forderung der Staatsanwaltschaft. Diese hatte vier Jahre Haft wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung gefordert. Die Anwälte des 40-Jährigen hingegen wollten eine Bewährungsstrafe oder maximal eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren erreichen.
Im Prozess war der Unglückstag noch einmal genau rekonstruiert worden. P. hatte seinen Dienst im Stellwerk von Bad Aibling um 4.45 Uhr begonnen. 26 Minuten später startete er auf seinem Smartphone das Online-Rollenspiel Dungeon Hunter 5, obwohl die Nutzung von Handys im Dienst eigentlich verboten ist.
Das virtuelle Mittelalter-Spiel zog ihn seit geraumer Zeit in Bann. Auswertungen des Handys ergaben, dass er an 17 Diensttagen gezockt hatte. Dabei geht es darum, mit anderen „Kriegern“Monster zu töten. P. spielte am Unglückstag bis 6.38 Uhr. Eine Minute und 41 Sekunden später verrutschte er eine Zeile im Fahrplan.
Er ging davon aus, dass sich die beiden Regionalzüge aus Rosenheim und Holzkirchen im Bahnhof Bad Aibling kreuzen sollten und gab grünes Licht zur Durchfahrt. Allerdings war die Kreuzung in Kolbermoor vorgesehen, die beiden Züge rasten auf der eingleisigen Strecke aufeinander zu. Als P. den Fehler um 6.46 Uhr bemerkte, setzte er einen Notruf ab, doch er irrte sich wieder.
Der Notruf erreichte die Lokführer nicht, eine Minute später prallten die Züge der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) aufeinander. Die Ermittlungen ergaben, dass P. nur 21 Sekunden vor dem Aufprall alle Apps auf seinem Handy schloss. Er gestand auch: „Das Piepsen hat mich von der Arbeit abgelenkt.“
Gedächtnisstörungen
Im Prozess wurde unter anderem ein Gutachter für Neuropsychologie gehört. Dieser attestierte P. zwar keine Spielsucht, es war aber von einem „linearen Anstieg“der Spielzeiten in den Wochen vor dem Unfall die Rede. Und von „Gedächtnisstörungen“, die auch in Spielpausen möglich sind, weil die Konzentration auch dann beeinträchtigt wird, wenn das Spiel gerade nicht gespielt wird. Im Pro- zess wurde auch ein Telefonat thematisiert, das P. nach dem Zusammenprall mit dem Fahrdienstleiter von Bruckmühl führte. Zu seinem Kollegen sagte er: „Die Kacke ist jetzt richtig am Dampfen.“
Richter Ernst Fuchs erklärte in seiner Urteilsbegründung, P. sei „kein Krimineller, sondern selbst Opfer“. Doch er habe „vorschriftswidrig“gehandelt und war „gedanklich gefangen im Spiel“. Man könne sich nicht im unteren Bereich des Strafmaßes bewegen, da die Folgen für die Familien der zwölf Getöteten „unermesslich“seien. Es waren, so Fuchs, alles „Männer im besten Alter“.
Ob auch die Deutsche Bahn Schuld trifft, war nicht Gegenstand des Prozesses. In diesem stellte sich aber heraus, dass die Bahn an der Unglücksstrecke seit 1984 veraltete Signaltechnik einsetzt. Eine Vorschrift, zusätzliche Anzeigen zu installieren, war nicht umgesetzt worden. Die Bahn muss dies aber nur im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten tun. Es könnte sein, dass nun Hinterbliebene einen Prozess gegen die Bahn anstreben. (bau)