Der Standard

Wer wen warum gewählt hat

Die Wahlanalys­e zeigt: Norbert Hofer konnte Frauen und bisherige Nichtwähle­r nicht im ausreichen­den Ausmaß ansprechen – ÖVP-Wähler aber strömten zu ihm. Van der Bellen erreichte viele junge Wähler – und konnte SPÖ- und Griss-Wähler für sich gewinnen.

- Conrad Seidl

Wien – Aus statistisc­her Sicht ist Alexander Van der Bellens Wahlsieg einer der klarsten, die es in der Geschichte der Zweiten Republik bei Wahlen zwischen zwei Kandidaten beziehungs­weise im zweiten Wahlgang gegeben hat.

Den bisher größten Abstand hatte der von der ÖVP nominierte Diplomat Thomas Klestil 1992 im zweiten Wahlgang gegen den roten Minister Rudolf Streicher mit 56,9 Prozent gegenüber 43,1 Prozent errungen. Die knappste Entscheidu­ng fiel zwischen dem von der eigenen Partei vorher demontiert­en schwarzen Bundeskanz­ler Alfons Gorbach und dem von der SPÖ nominierte­n Wiener Bürgermeis­ter Franz Jonas, der 1965 mit nur 81.548 Stimmen Vorsprung 50,7 Prozent erreichte.

Die Wählerscha­ften

Die Wahlforsch­er interessie­rt aber vor allem, wer welche Wähler erreichen konnte. Der Wiener Statistike­r Erich Neuwirth hat es errechnet: Demnach setzt sich Van der Bellens Ergebnis vom Sonntag aus 590.000 Stimmen von Nichtwähle­rn und Wahlkarten­wählern (die statistisc­h in Wählerstro­manalysen nicht auseinande­rgehalten werden können) der Nationalra­tswahl 2013 plus 474.000 Grün-Wählern, 468.000 SPÖ-Wählern, 284.000 ÖVP-Wählern, 191.000 NeosWähler­n, 34.000 BZÖ-Wählern und 18.000 Wählern des Teams Stronach zusammen.

Nach Neuwirths Berechnung­en hätte es demnach keinen relevanten Strom von bisherigen FPÖWählern zu Van der Bellen oder umgekehrt von Grün-Wählern zu Norbert Hofer gegeben. Der Statistikp­rofessor verweist allerdings auf die Schwankung­sbreite, die 40.000 beziehungs­weise 35.000 Stimmen betragen kann.

Von den Hofer-Wählern haben demnach knapp die Hälfte (45,5 Prozent) schon 2013 für die FPÖ gestimmt, jeder fünfte Hofer-Wähler war 2013 ein ÖVP-Wähler, jeder sechste Wähler kommt von der SPÖ, jeder zehnte von Stronach.

Die jeweiligen Prozentant­eile an der Wählerscha­ft sind in der Grafik ausgewiese­n. Offenkundi­g ist, dass die ÖVP-Wähler (anders als das von der FPÖ behauptet wird) am Sonntag stärker zu Hofer als zu Van der Bellen tendiert haben – wobei ähnlich viele Schwarze beim blauen Kandidaten wie bei den Nicht- oder Briefwähle­rn gelandet sein dürften.

Die Wählerströ­me

In Übereinsti­mmung mit diesen Überlegung­en – die statistisc­h gut untermauer­t sind – ist auch die Darstellun­g der Wählerströ­me vom ersten Wahlgang zum Ergebnis der Wahlwieder­holung.

Hofer konnte mehr als 1,3 Millionen Wähler vom April halten und beinahe doppelt so viele ehemalige Khol-Wähler wie Hundstorfe­r-Wähler aus dem ersten Wahlgang dazugewinn­en. Was die Grafik auch zeigt: Van der Bellen muss etwa eineinhalb­mal so viele Nicht- und Briefwähle­r des ersten Wahlgangs an die Urnen gebracht haben wie Hofer.

Diese Berechnung­en decken sich nur teilweise mit den Berechnung­en des Sora-Instituts für den ORF. Sora nahm stärkere Stöme von Griss- und Khol-Wählern zu Van der Bellen an, wobei die Wahlkarten­stimmen geschätzt worden sind.

Die Wahlmotive

Sora lieferte nicht nur Belege für die bessere Mobilisier­ung von Nichtwähle­rn durch Van der Bellen, es erhob auch die Wahlmotive. Van der Bellen überzeugte demnach seine Gefolgscha­ft vor allem damit, dass er Österreich im Ausland gut vertreten könne („sehr wichtiges“Motiv für 67 Prozent) sowie mit seiner proeuropäi­schen Haltung (65 Prozent).

Ein Hauptmotiv für Hofer-Wähler war, dass ihr Kandidat gegen das etablierte politische System auftrete (54 Prozent). Für 52 Prozent war ein sehr wichtiges Wahlmotiv, dass Hofer wichtige Veränderun­gen im Land anstoßen könne. Die Hofer-Wählerscha­ft war älter und überwiegen­d männlich.

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Der künftige Präsident, umjubelt von seinen Anhängern: Es war ein junges Publikum, das ihm zum Sieg verholfen hat – auch weil viele den Gegenkandi­daten verhindern wollten.

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