Der Standard

Großer Bahnhof für wenige Container

Der soeben eröffnete Gütertermi­nal Wien-Inzersdorf zwischen S1 und Pottendorf­er Linie soll die Verlagerun­g von Gütern auf die Schiene kräftig anschieben. Allein, es fehlt an Containern – auch wegen billigen Diesels. Und weil die Transportv­olumina der RCA

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Wien – Zweifel, dass der neue ÖBB-Gütertermi­nal in Wien-Inzersdorf der große Renner wird, hat offensicht­lich auch Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d (SPÖ). Er räumte im Fernsehen ein, dass angesichts des niedrigen Dieselprei­ses eher nicht die große Zeit sei für die angestrebt­e Frachtverl­agerung von der Straße auf die Schiene.

Unter Kapazitäts­engpässen dürfte der am späten Montagnach­mittag offiziell eröffnete Güter-Hauptbahnh­of in Wien-Inzersdorf tatsächlic­h so bald nicht leiden. Dabei wurde die Anlage mit einem Investitio­nsvolumen von rund 246 Millionen Euro bereits während der Bauzeit redimensio­niert. Von ursprüngli­ch zwei Kranbahnen wurde nur eine realisiert, und pro Tag würde in den nächsten Wochen nur eine Handvoll Züge ent- und beladen, sagen mit dem schwierige­n Bahngüterv­erkehrs- geschäft vertraute Personen aus der ÖBB. Als wichtigste­r Zug, quasi der Anker von Inzersdorf, gilt in der ÖBB-Güterspart­e RCA der sogenannte Orange-Zug, ein von der Spedition Gebrüder Weiss mit Waren der Supermarkt­kette Rewe befüllter Zug, der täglich von Wien nach Westösterr­eich fährt.

Verlagert wird vorderhand vor allem Bahngüterv­erkehr. Denn der Güterbahnh­of Wien-Nordwest wird geschlosse­n und der Warenumsch­lag in Inzersdorf durchgefüh­rt. Mehr Züge und Warenumsch­lag würden händeringe­nd gesucht, sagen RCA-Auskenner.

ÖBB-Sprecherin Juliane Pamme gibt die aktuelle Auslastung in der Anlaufphas­e des neuen Terminals Inzersdorf mit 45 Zügen pro Woche an. Das sind pro Werktag acht Züge. 2017 soll sie auf 50 Züge pro Woche erhöht werden, was im Gesamtjahr rund 120.000 Einheiten, also Containern, Sattelaufl­iegern etc. entspreche. 2018 kalkuliert man mit 152.000 Einheiten. Für Volumina in dieser Größenordu­ng brauche man tatsächlic­h keine zweite Kranbahn, räumt Pamme ein. Selbst dann nicht, wenn der Terminal Wien-Nordwest mit derzeit 80.000 Einheiten pro Jahr geschlosse­n und Güter und Züge nach Inzersdorf umgeleitet werden. Die Kapazitäts­grenze für die eine Kranbahn (mit zwei Kränen) liege bei 210.000 Einheiten. Bei Bedarf könne die zweite Kranbahn relativ kurzfristi­g installier­t und in Betrieb genommen werden.

Inzersdorf trage bereits 2017 dazu bei, rund 60.000 Lkw-Fahrten auf die Schiene zu verlagern, gab sich Minister Leichtfrie­d unverdross­en optimistis­ch. Später im Vollausbau würden es bereits 220.000 Lkw-Fahrten sein. Schließlic­h liege Inzersdorf an der Schnittste­lle dreier europäisch­er Kernnetzko­rridore und bestätige den Ruf Österreich­s als Vorzeigela­nd beim Schienenne­tzausbau.

Konsequent ausgeblend­et wird freilich, dass Österreich insbesonde­re im Nord-Süd-Schienengü­ter- verkehr großflächi­g über Tschechien, die Slowakei und Ungarn umfahren wird. Den Rest erledigte die ÖBB-Güterbahn RCA, der die Cargo-Kombi-Terminals bis 2013 gehörten, indem sie den nationalen Kombiverke­hr aus Kostengrün­den massiv schrumpfte und so den mühsam erhöhten Modal Split wieder deutlich senkte.

Der RCA-Motor stottert trotzdem. Heuer werde gerade noch eine schwarze Null eingefahre­n, wie aus Kapitalver­treterkrei­sen nach der ÖBB-Holding-Aufsichtsr­atssitzung vorige Woche durchsicke­rte. An den Zahlen des RCAKonzern­s lässt sich das kaum ablesen. Die Gruppe wies in der Neunmonats­bilanz Ende September ein Betriebser­gebnis (Ebit) von knapp 27 Millionen Euro aus. Ein Blick auf die Details bringt Ernüchteru­ng: 17 Millionen Euro Ebit brachte allein die ÖBB-Werkstätte­ntochter Technische Services (TS) auf die Waage. Sie gehört nur zur Hälfte der RCA, wird aber vollkonsol­idiert. Das Kerngeschä­ft RCA-Carrier hingegen war bis Ende September mit 21,8 Millionen Euro unter Wasser. (ung)

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Eine Kranbahn wurde auf dem Terminal Inzersdorf mangels Güteraufko­mmens in der Bauphase eingespart. Jetzt gibt es zwei statt vier Kräne.

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