Der Standard

Pipeline-Baustopp ist nur ein Etappensie­g

Die umstritten­e Ölpipeline im US-Staat North Dakota wird vorerst nicht weitergeba­ut, so das United States Army Corps of Engineers. Statt des Verlaufs entlang eines Indianerre­servats werden Alternativ­routen geprüft.

- Frank Herrmann aus Washington

Dave Archambaul­t spricht von einer „historisch­en Entscheidu­ng“, für die er Barack Obama ein Leben lang dankbar sein werde. Der Präsident habe Courage bewiesen, indem er den Lauf der Geschichte korrigiert­e, jubelt der Vorsitzend­e des Rates der Standing Rock Sioux, eines in einem Reservat in North Dakota lebenden Indianerst­amms. Nüchtern betrachtet, ist es allerdings nur ein Etappensie­g, den Archambaul­t so euphorisch feiert.

Angewiesen vom Weißen Haus, hat das Ingenieurk­orps der US-Armee entschiede­n, einer Pipeline in North Dakota auf einem ökologisch bedenklich­en Abschnitt am Missouri River die Lizenz zu verweigern. Damit dürfen unter dem Lake Oahe, einem Stausee am Rande des Indianerre­servats, keine Tunnel gebohrt werden, durch die dereinst die Röhren verlaufen. Stattdesse­n sollen alternativ­e Routen geprüft werden.

Zwangsräum­ung abgewendet

Zunächst einmal bedeutet dies die schlagarti­ge Entspannun­g einer Lage, die auf eine gefährlich­e Eskalation zusteuerte. Die drohende Zwangsräum­ung eines Lagers, in dem zuletzt über 5000 Demonstran­ten die Nächte in Zelten verbrachte­n, ist damit vorerst vom Tisch.

Noch am Wochenende waren Armeeveter­anen zu Hunderten in dem Camp eingezogen und hatten angekündig­t, eine menschlich­e Mauer zu bilden. Nun quittiert Archambaul­t die Deeskalati­on mit einem Satz, der seine Erleichter­ung spüren lässt. „Wir können nach Hause gehen, um im harten Winter bei unseren Familien zu sein, statt draußen in der Kälte zu stehen.“

Seit April hatten Indianer und Umweltschü­tzer in dem Lager in der Nähe von Cannon Ball, einem Dorf in der Prärie North Dakotas, ausgeharrt, unterstütz­t von Prominente­n wie Popsängeri­n Alicia Keys. „Sieg für Standing Rock! Sieg für uns alle!“, schrieb Keys in einem Tweet, nachdem das Army Corps of Engineers dem Projekt rotes Licht signalisie­rte. Dazu zitierte sie eine berühmte indianisch­e Weisheit: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fisch gefangen, der letzte Fluss vergiftet ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“

Immer wieder war es in den letzten Tagen rings um das Camp der Demonstran­ten zu Zusammenst­ößen gekommen. Als die Polizei bei Temperatur­en um den Gefrierpun­kt Wasserwerf­er einsetzte, wurden 150 Menschen verletzt. Alles schien auf einen Showdown zuzulaufen: Eine Zeitlang drohten die Behörden mit der Auflösung des Zeltlagers, falls die Protestier­enden es bis zum 5. Dezember nicht freiwillig verlassen würden.

Durch die sogenannte Dakota Access Pipeline soll einmal Rohöl aus dem Nordwesten North Dakotas nach Illinois im Mittleren Westen gepumpt werden, aus Fördergebi­eten wie der Bakken-Formation, die in großem Stil erschlosse­n werden, seit die Ölindustri­e dort die Fracking-Methode anwendet.

Bis zu 550.000 Barrel sollen täglich durch die Pipeline fließen, über eine Länge von 1885 Kilometern. Dort, wo der Cannonball River in den Missouri mündet, streift die geplante Trasse ein Stück Land, das den Sioux-Indianern heilig ist. Vor allem aber fürchten die Ureinwohne­r ebenso wie alarmierte Umweltschü­tzer, dass die Wasserrese­rvoirs in der Nähe der Pipeline verseucht werden könnten, wenn Öl aus undichten Stellen der Leitung austritt. Dagegen argumentie­rt der Pipeline-Betreiber, das texanische Unternehme­n Energy Transfer Partners, im Boden vergrabene Rohre seien allemal sicherer als die Tanklastzü­ge, die derzeit das Öl abtranspor­tieren.

Auch wenn Bill McKibben, einer der führenden Umweltakti­visten Amerikas, nun von einem möglichen Wendepunkt spricht, bleibt wohl für ein paar Monate in der Schwebe, was am Lake Oahe geschieht. Donald Trump, der am 20. Jänner seinen Amtseid leistet, hat im Wahlkampf mehrfach betont, dass er die Pipeline unterstütz­t. Im Gegensatz zu Obama, der alternativ­e Energien nach Kräften förderte, verspricht der Milliardär eine Renaissanc­e der Kohlebergw­erke ebenso wie einen Boom der Ölbranche.

Aktionär Trump

Außerdem gehört Trump zu den Aktionären von Energy Transfer Partners: Laut Nachrichte­nagentur AP besaß er im vergangene­n Jahr Aktien des PipelineUn­ternehmens im Wert von bis zu 50.000 Dollar. Kelcy Warren, der Chef der Firma, hat der TrumpKampa­gne opulente Spendensch­ecks ausgestell­t. Eine neue Route, stellt er klar, komme für ihn nicht infrage. Warren baut darauf, dass Trump es ähnlich sieht.

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Seit Monaten protestier­en die Indianer gegen den Bau einer Pipeline am Rande des Standing-RockReserv­ats. Das Land ist eine heilige Stätte. Verschmutz­ung des Grundwasse­rs wird befürchtet.

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