Der Standard

Österreich­er setzen ein Zeichen der Kontinuitä­t

Die Kommentato­ren der internatio­nalen Zeitungen schwanken angesichts des deutlichen Ergebnisse­s für Alexander Van der Bellen zwischen Erleichter­ung und Ernüchteru­ng. Vor allem auf die europäisch­e Dimension des Wahlausgan­ges wird hingewiese­n.

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Aus Kommentare­n internatio­naler Tageszeitu­ngen zur Wahl: (München) Es ist eine gute Nach- richt für Europa und für Österreich – Alexander Van der Bellen hat überrasche­nd deutlich die Wahl gewonnen. Die Mehrheit der Wähler in der Alpenrepub­lik hat sich für einen älteren Herrn als Bundespräs­identen entschiede­n, der vielleicht nicht unbedingt den Aufbruch verkörpert und ganz gewiss auch nicht jene Dynamik, welche die Rechtsausl­eger von der FPÖ schon für Politik halten.

Nein, Van der Bellen entspricht in so gut wie nichts dem, wofür die FPÖ, sein Gegenkandi­dat Norbert Hofer und dessen Parteichef Heinz-Christian Strache stehen. Van der Bellen ist ein alter Linker, der mit der Zeit pragmatisc­h-liberal geworden ist, wie das viele alte Linke so an sich haben.

Sein Pendant in Deutschlan­d ist nicht Angela Merkel, sondern eher Winfried Kretschman­n. Österreich­s neuer Präsident glaubt an die Aufklärung durch Vernunft, was er zugegeben nicht unbedingt mitreißend erklären kann. Und er ist ein überzeugte­r Europäer. Ganz offenbar haben es Hofer und die Seinen in diesem oft schmutzige­n, manchmal lächerlich­en Wahlkampf – die Klebstoff-Affäre – übertriebe­n. Die FPÖ glaubte im Kielwasser einer ReNational­isierung in Europa sowie der als Leidenscha­ft verkauften politische­n Pöbelei zum Sieg getragen zu werden. Das passierte nicht, weil es doch noch zu viele Österreich­er gibt, die nicht von Norbert Hofer und seiner Partei repräsenti­ert werden wollen.

(Frankfurt) Die Niederlage ihres Kandidaten bedeutet sicher nicht, dass die FPÖ und ihre Themen in absehbarer Zeit aus der österreich­ischen Politik verschwind­en werden. In Umfragen ist sie immer noch die stärkste Kraft. Man sollte Van der Bellens Wahlsieg als Entscheidu­ng gegen Hofer verstehen, aber nicht als Rückbesinn­ung einer ganzen Nation auf die Ideale des linksliber­alen „juste milieu“.

Wenn die öffentlich­en Debatten der vergangene­n Monate etwas gelehrt haben, dann ist es dieses: Die meisten westlichen Politiker haben die Sprengkraf­t ungeregelt­er Migration massiv unterschät­zt. Viele Wähler, auch in Deutschlan­d, werden es sich nicht nehmen lassen, an der Wahlurne eine Korrektur zu verlangen. Die Wahl in Österreich zeigt nur, dass das nicht automatisc­h zu Mehrheiten führt.

(Zürich) Wer nun allerdings versucht ist, zu jubeln und sich zurückzule­hnen, sollte dennoch kurz innehalten. Die Spannungen in der großen Koalition sind akuter denn je, der politische Stillstand verschärft sich, ein Sieg der FPÖ bei vorgezogen­en Neuwahlen bleibt wahrschein­lich. Van der Bellens Sieg erlaubt der FPÖ sogar, sich noch stärker als die unbeteilig­te Außenseite­rin und Anwältin des kleinen Mannes in Szene zu setzen. Guttun wird der bedächtige Van der Bellen dem Land dennoch, sitzt doch nun ein auf Ausgleich bedachter Präsident in der Hofburg. Das ist nicht wenig in Zeiten der institutio­nalisierte­n, medial befeuerten Atemlosigk­eit.

(Budapest) Ob das Staatsober­haupt Alexander Van der Bellen oder Norbert Hofer heißt – am Wesentlich­en ändert das nichts. In Österreich ist nämlich das seit dem Zweiten Weltkrieg bestehende, auf der großen Koalition von Linken und Rechten gegründete politische System gescheiter­t. (...) Die Welt geht durch drastische Veränderun­gen. Die Führer der westlichen Zivilisati­on tun aber weiterhin so, als ob nichts geschehen wäre. Alexander Van der Bellen wird bald in die Hofburg einziehen. Er wird mit aller Gewissheit sehr höflich, EU-konform und politisch korrekt sein. Seinen Namen werden wir aber in Hinkunft nicht mehr hören. Die EU-, migrations- und globalisie­rungsfeind­lichen Slogans (der FPÖ) dafür umso mehr.

(Ljubljana) Die Österreich­er haben beschlosse­n, dass ihr Land nicht das erste EU-Mitglied wird, das einen „Rechtsextr­emen“zu seinem Oberhaupt wählt, wie noch Tage zuvor die westlichen Medien gewarnt haben. (...) Österreich ist somit dem traurigen Schicksal entgangen, mehr als einen Tag in den Schlagzeil­en der Weltzeitun­gen zu sein. Danach wird auch der Promi-Glanz des Wahlsieger­s Alexander Van der Bellen erlöschen. Wie es sich für seine ziemlich unwichtige Rolle beim Funktionie­ren des Staates gehört, wird er für eineinhalb Jahre vergessen sein. Dann steht ein Dejá-vù bevor. Bei der Nationalra­tswahl kann es durchaus passieren, dass wir wieder vor der großen Gefahr stehen werden, dass an die Spitze eines EU-Mitgliedes ein extrem rechter (tatsächlic­her) Anführer gewählt wird. Der (symbolisch­e) Anführer Van der Bellen wird in die Schlagzeil­en geraten, weil er sich entscheide­n muss, ob er einem Freiheitli­chen den Auftrag zur Regierungs­bildung erteilt oder nicht.“

(Belgrad) In der gegebenen Situation wird es gewiss, dass Österreich angesichts der entspreche­nden Stimmung der Wählermehr­heit und der Haltung führender Politiker, die die extreme Rechte seit kurzem als möglichen Regierungs­partner akzeptiere­n, eine Zeitspanne der politische­n Wende nach rechts bevorsteht. Z: Dernieres Nouvelles d’Alsace

(Straßburg) Die kleine Bundesrepu­blik Österreich hat geschwankt, ist aber nicht umgefallen. Alles andere als das. Mit mehr als 53 Prozent der Stimmen hat der Grünen-Politiker und neue Präsident Van der Bellen Hofer und dessen Truppen den Zutritt zur Hofburg versperrt. Das ist ihm gelungen, indem er systematis­ch jede einzelne Position seiner Gegner bekämpfte. Er hat ihnen nicht erlaubt, die Nationalfl­agge und das Wort „Heimat“für sich allein in Anspruch zu nehmen.

(Rom) Österreich hat den TrumpEffek­t zu spüren bekommen. Er hat die Österreich­er überzeugt, gegen die populistis­che Epidemie zu stimmen, die breite Teile der europäisch­en Wählerscha­ft angesteckt hat. Der doppelte Schock der US-Wahlen und des Brexits hat viele Österreich­er bewogen, im Zeichen der Kontinuitä­t zu wählen.

(Mailand) Mit Van der Bellen hat das Konzept eines offenen und inklusiven Österreich gewonnen. Der Wunsch, die Beziehung zu Europa zu erhalten, hat gesiegt. Das Wahlergebn­is hat alle wegen seiner Klarheit beeindruck­t. Van der Bellen hat klar den FPÖ-Kandidaten Hofer besiegt, der sich bis zuletzt von seinem Wahlerfolg überzeugt gezeigt hatte.

(Mailand) Mit Van der Bellen siegt eine politische Linie, die bei der EU und ihrer Technokrat­ie besonders willkommen ist. Die Aussicht auf einen Öxit, Österreich­s Austritt aus der EU, ist gebannt. Mit Van der Bellen siegt auch eine politische Linie, die klar für die Integratio­n und für die Migrantena­ufnahme ist, weil der neue Präsident selber ein Flüchtling­skind war, wenn auch in einem ganz anderen historisch­en Umfeld.

(Washington) Obwohl die EU als die Hauptgegne­rin für Populisten auf dem gesamten Kontinent angesehen wird, zeigt das Wahlergebn­is vom Sonntag, dass die prinzipiel­le Gegnerscha­ft zu allem, wofür der 28-Nationen-Block steht, noch keine politische­n Zugewinne garantiert. (...) Das Ergebnis könnte ein weiterer Indikator dafür sein, dass der Appetit für Referenda über die EU in Europa schwindet, vor allem angesichts der chaotische­n Folgen des BrexitVotu­ms. Die Zustimmung zur EU ist in fünf der sechs bevölkerun­gsreichste­n Staaten der Union zuletzt sogar gestiegen. (red)

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Die Titelseite­n europäisch­er Zeitungen vom Montag: Die Bundespräs­identenwah­l ließ es im internatio­nalen Blätterwal­d heftig rauschen.
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