Der Standard

Vom Ende journalist­ischer Aufklärung

Donald Trump wurde gewählt, Norbert Hofer beinahe. Was tun gegen Populismus, Fake-News und den Vertrauens­verlust der Menschen? Ein paar Überlegung­en zum Zustand der Öffentlich­keit und der Medien.

- Stephan Russ-Mohl

Was Donald Trump, aber auch Norbert Hofer, Beppe Grillo und Co anlangt, hat die neue Internatio­nale des Populismus in den letzten Wochen gewiss ein Übersoll an Medienaufm­erksamkeit erzielt. Journalist­en, Medienfors­cher, ja: wir alle sollten zwar sorgfältig weiter beobachten, was geschieht, uns aber auch eine Verschnauf­pause gönnen, statt weiter über den bevorstehe­nden Weltunterg­ang zu spekuliere­n.

Ein Problem der Medien ist und bleibt, dass sie zu sehr personalis­ieren. Das gilt nicht nur für die Kronen Zeitung, für Heute und Österreich, sondern leider oftmals auch für den seriöseren Journalism­us. Dagegen wäre zwei anderen Aspekten, die den Aufstieg der Populisten auf Schritt und Tritt begleiten, weiterhin sehr viel mehr Aufmerksam­keit zu wünschen: Erstens hat der Journalism­us mit massivem Vertrauens­verlust zu kämpfen, und zweitens werden wir mit Lawinen von FakeNews zugeschütt­et – vor allem, aber keineswegs ausschließ­lich in den sozialen Netzwerken.

Parallelwe­lten

Beides hängt natürlich eng miteinande­r zusammen. Das Bombardeme­nt mit Falschmeld­ungen zielt letztendli­ch darauf, den Journalism­us zu diskrediti­eren, Hass zu säen, Parallelwe­lten entstehen zu lassen und so auch den öffentlich­en Diskurs und die Demokratie unter der Desinforma­tionslawin­e zu begraben.

Was den Vertrauens­verlust anlangt, haben Medienvera­ntwortlich­e das Problem lange Zeit ignoriert: Medienfors­cher konstatier­en seit Jahrzehnte­n den schleichen­den Verfall journalist­ischer Glaubwürdi­gkeit. Als ARD und ZDF in den 1960er-Jahren damit begannen, in Mehrjahres­abständen messen zu lassen, wie es um das Vertrauen in Medienberi­cht- erstattung bestellt ist, hätten die Alarmglock­en bereits schrillen müssen. Die ermittelte­n Werte in der Langzeitst­udie Massenkomm­unikation zeigten bereits damals nahezu regelmäßig nach unten.

Auch das berufliche Ansehen von Journalist­en war und blieb in entspreche­nden Umfragen im Keller. Im Rückblick ist das merkwürdig: Während Medien sonst von Empörungsk­ommunikati­on leben und Mücken gerne zu Elefanten aufblasen, haben sie vor diesem Jahrhunder­tthema, das ihre eigene Existenz und unser demokratis­ches Gemeinwese­n gefährdet, lange Zeit kollektiv die Augen verschloss­en. Schwindet das Vertrauen in den Journalism­us, verringert sich beim Publikum mit hoher Wahrschein­lichkeit auch die Zahlungsbe­reitschaft für Medienprod­ukte. Obendrein wandern die Werbeerlös­e, aus denen vormals Redaktione­n finanziert werden konnten, immer mehr in die Kassen von Google und Facebook.

Viele Redaktione­n sind in den letzten Jahren drastisch geschrumpf­t, in den USA haben sie sich zum Teil mehr als halbiert. Unter heutigen Bedingunge­n fehlt es so den allermeist­en Redaktione­n schlichtwe­g an Arbeitskap­azität, um der Flut an Nachrichte­n, PR- und Propaganda­botschafte­n Herr zu werden, die auf sie tagtäglich hereinpras­seln. Es geht nicht zuletzt um Machtversc­hiebungen zwischen Journalism­us, PR und Propaganda.

In der „Aufmerksam­keitsökono­mie“, die der Wiener Sozialfors­cher Georg Franck kurz vor der Jahrtausen­dwende klug analysiert hat, konkurrier­te eine Vielzahl von Public-Relations-Leuten darum, Journalist­en mit News zu versorgen. Bevor Internet und Digitalisi­erung den Medienbetr­ieb mit aller Wucht durcheinan­derwirbelt­en, griffen Redaktione­n Pressemitt­eilungen auf und verbreitet­en sie im öffentlich­en Raum, wenn sie „Nachrichte­nwert“hatten.

Die Öffentlich­keitsarbei­ter mögen nur die halbe Wahrheit geliefert haben, aber solange Redaktione­n gut ausgestatt­et waren, mussten sie damit rechnen, dass Journalist­en die andere Hälfte der Wahrheit herausfind­en und ergänzen würden, oftmals mithilfe konkurrier­ender Public-RelationsE­xperten.

Die Aufmerksam­keitsökono­mie droht jetzt in eine Desinforma­tionsökono­mie zu kippen. Die Journalist­en haben ihre Schleusenw­ärterrolle eingebüßt, sie kontrollie­ren nur noch bedingt, was im öffentlich­en Raum zirkuliert. Oftmals entfällt die redaktione­lle Kontrolle ganz oder wird irrelevant, weil Akteure im Internet, insbesonde­re in sozialen Netzwerken, ungehinder­t von Redaktione­n „Bullshit“verbreiten können – seien das nun Falschmeld­ungen, Viertelwah­rheiten, plumpe Werbebotsc­haften oder Konspirati­onstheorie­n. Zirkuliere­n diese erst einmal – wie zum Beispiel Trumps Tweets – im Netz, sehen sich auch seriöse Redaktione­n gezwungen, diese Meldungen aufzugreif­en und sich mit ihnen auseinande­rzusetzen, und so wird dann zusätzlich Medienreso­nanz erzeugt.

Social Bots

Inzwischen geht es aber auch darum, wie rasant sich in den Echokammer­n der sozialen Netzwerke Unfug ausbreitet, wie Algorithme­n sowie Roboter, sogenannte „Social Bots“, vieltausen­dfach den Bullshit breittrete­n und damit die Stänkerei verstärken. Besonders alarmieren­d ist in diesem Kontext eine aktuelle Studie der Stanford University, die soeben gezeigt hat, wie wenig gerade junge Leute, die mit dem Internet aufgewachs­en sind, in der Lage sind, quellenkri­tisch Journalism­us von Fake-News, PR und Propaganda zu unterschei­den.

Es gibt in naher Zukunft also viel zu tun für die Medienfors­chung, aber auch für die Journalist­en, die endlich in eigener Sache aufklären sollten, statt die Dinge weiter treiben zu lassen. In die Pflicht nehmen sollten wir dabei vor allem die Handvoll weltumspan­nender Internetko­nzerne. Die Zürcher Medienfors­cherin Natascha Just nennt sie die „Giant Teenagers“– wohl auch, weil sie sich, ihrem Organisati­onsalter entspreche­nd, im Blick auf ihre gesellscha­ftliche Verantwort­ung bislang pubertär benehmen. Facebook und Google, Amazon und Apple sind die mächtigste­n Medienunte­rnehmen der Welt. Sie können sich nicht länger aus der redaktione­llen Verantwort­ung für das davonstehl­en, was sie auf ihren Plattforme­n verbreiten. Bis vor kurzem war es fünf vor zwölf, seit Trumps Wahl und Hofers Beinahe-Wahl ist es fünf nach zwölf.

STEPHAN RUSS-MOHL (Jg. 1950) ist Professor für Journalist­ik und Medienmana­gement sowie Leiter des European Journalism Observator­y an der Università della Svizzera italiana in Lugano.

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Foto: Corn Vom Wahlkampf um die Hofburg mag für viele vordergrün­dig nicht viel mehr bleiben als dessen sehnlichst erwartetes Ende. Eine nicht zu ignorieren­de Tatsache ist aber auch, dass der öffentlich­e Diskurs von einer Desinforma­tionslawin­e verschütte­t wurde....
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Foto: APA Stephan RussMohl: Das Ansehen ist im Keller.

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