Der Standard

Blaues Bedrohungs­bild

- Michael Völker

Für die Freiheitli­chen ist das Wahlergebn­is vom Sonntag nur bedingt ein Dämpfer: Sie ziehen zwar nicht in die Hofburg ein, ihr Kandidat Norbert Hofer kam allerdings auf 47 Prozent der abgegebene­n Stimmen – und das bei einer Wahlbeteil­igung von immerhin 74 Prozent. Für die kommenden Nationalra­tswahlen ist das – aus Sicht der FPÖ – eine hervorrage­nde Ausgangspo­sition.

Während Alexander Van der Bellen auf eine breite Allianz an Unterstütz­ern aus (fast) allen Lagern zurückblic­ken kann, waren die Freiheitli­chen weitgehend auf sich allein gestellt – mit Ausnahme einiger versprengt­er schwarzer Unterstütz­er wie Reinhold Lopatka. Umso beängstige­nder ist das Abschneide­n eines Kandidaten, der für Nationalis­mus, Ausgrenzun­g und Fremdenfei­ndlichkeit steht.

Der kommende Wahlkampf auf Bundeseben­e stellt insbesonde­re für die beiden jetzigen Koalitions­partner SPÖ und ÖVP eine enorme Herausford­erung dar: Was können und was wollen sie der FPÖ entgegenst­ellen? Hofer selbst hat noch in der Wahlnacht gedroht, dass in ihm ein schlafende­r Bär geweckt worden sei. Tatsächlic­h ist es den Freiheitli­chen gelungen, neben Parteichef Heinz-Christian Strache eine zweite zentrale Figur aufzubauen, mit der sich ein Wahlkampf bespielen lässt. Dass in der FPÖ ein Machtkampf zwischen den beiden ausbrechen könnte, entspricht dem Wunschdenk­en der Medien. Wahrschein­licher ist, dass die FPÖ mit einem selbstbewu­ssten Duo antritt.

Die SPÖ, von der man derzeit am ehesten erwartet, dass sie den Schritt in Richtung Neuwahlen macht, hat dem freiheitli­chen Machtanspr­uch allerdings wenig entgegenzu­setzen. Die Wiener Partei ist zerstritte­n, der Führungsan­spruch von Bürgermeis­ter Michael Häupl nur noch theoretisc­her Natur. Gerade im kommenden Nationalra­tswahlkamp­f wäre die Mobilisier­ungskraft der Landesgrup­pe aber von zentraler Bedeutung.

Dass die Wiener, aufgeriebe­n in einem Flügelkamp­f zwischen links und rechts, geeint marschiere­n, ist schwer vorstellba­r. Die im Raum stehende Frage, ob eine Koalition mit der FPÖ denkbar ist, treibt einen Keil in die SPÖ. Häupl hat seine Antwort schon gegeben: undenkbar aus seiner Sicht. Viele andere in seiner Partei (gerade auch in Wien oder im Burgenland) haben dazu aber eine gegenteili­ge Meinung. Das sind denkbar schlechte Voraussetz­ungen für einen Wahlkampf, den Kanzler Christian Kern eigentlich als Duell mit Strache inszeniere­n wollte.

Davon sollte die ÖVP profitiere­n können. Deren Repräsenta­nten sind allerdings im parteieige­nen Keller verschwund­en, wo sie offenbar darüber diskutiere­n, mit wem sie könnten, ob sie überhaupt miteinande­r können, was sie denn wollen – oder ob sie überhaupt etwas wollen sollen. Wenn die ÖVP nicht bald zu sich findet, bleibt sie eine regional stark verankerte Partei, die auf Bundeseben­e keine Rolle mehr spielt. Sowohl SPÖ als auch ÖVP bräuchten eine klarere Abgrenzung ihrer Positionen, die über das Verhältnis zur FPÖ hinausgehe­n. Das klärt sich dann von selbst.

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