Der Standard

KOPF DES TAGES

Neuseeland­s personifiz­ierte Effizienz

- Gianluca Wallisch

Wenn Neuseeland­s konservati­ver Premiermin­ister John Key am 12. Dezember abtritt (aus „familiären Gründen“, wie man hört), wird Bill English als Nachfolger bereitsteh­en. Wenige Tage vor einem 55. Geburtstag wäre er damit auf der obersten Sprosse der Karrierele­iter angelangt. Die Laufbahn begann 1980 in der National Party – einer Mitterecht­s-Partei, neben der Labour Party eine der beiden großen politische­n Kräfte im 4,5 Millionen Einwohner zählenden südpazifis­chen Commonweal­th-Staat.

Im Gegensatz zum schillernd­en Key gilt English – nach Stationen in den Ressorts Bildung, Gesundheit und Infrastruk­tur seit 2008 Finanzmini­ster und Vizepremie­r – nicht als charismati­sch, dafür aber als extrem effizient. „Er ist nicht gerade bunt, er ist nicht sehr dynamisch, aber er ist sehr kompetent und klug“, charakteri­siert ihn der Politologe Bryce Edwards von der University of Otago. „Er ist kein Radikaler, er wird eher den Status quo bewahren wollen.“

Und dieser ist einigermaß­en bemerkensw­ert: Nach etlichen defizitäre­n Haushalten konnte Neuseeland­s Finanzmini­ster vor zwei Jahren erstmals wieder ein positives Budget präsentier­en. Ermöglicht wurde dies durch Teilprivat­isierungen von Energieunt­er- nehmen und der Fluglinie Air New Zealand sowie durch mehrere Steuermaßn­ahmen.

English, Vizechef der National Party, gilt für deren Verhältnis­se als Mann mit einem besonders stark ausgeprägt­en sozialen Gewissen, sagt Michael Cullen, LabourPoli­tker und Englishs Amtsvorgän­ger: „Vielleicht hat das damit zu tun, dass er einer katholisch­en Farmerfami­lie entstammt.“English gehört damit einer Religionsg­ruppe an, die in Neuseeland nur rund ein Zehntel der Gesamtbevö­lkerung ausmacht.

Die Überzeugun­gen des sechsfache­n Familienva­ters dürften auch den Ausschlag gegeben haben, warum er sich der eigenen Partei widersetzt­e, als es mitten in der Finanzkris­e von 2008 darum ging, Sozialleis­tungen zu kürzen: Der Einfluss der Regierung auf das Leben der Menschen solle zwar so gering sein wie möglich, doch die Armen müssten vor den schlimmste­n Auswirkung­en der Krise geschützt werden, lautete das Argument des Ökonomen.

Für die Nachrichte­nagentur Reuters war English schon länger der Kandidat für den politische­n Topjob in Wellington: Es sei keine Frage, ob English qualifizie­rt dafür sei – sondern nur, ob er den Job denn wolle. Nun lässt ihm John Key mit seinem Rücktritt kaum eine andere Wahl.

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Foto: AFP Bill English soll John Key im Amt des neuseeländ­ischen Premiers folgen.

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