Der Standard

Die Einwände bleiben

- Irene Brickner

Der Disput um die Asylantrag­sobergrenz­e – oder, harmloser ausgedrück­t: den Richtwert – hat mit der nun endlich geschlagen­en Bundespräs­identenwah­l etwas gemeinsam: die Länge der Auseinande­rsetzung. Tatsächlic­h wird um die Frage, ob ab einer bestimmten Zahl eingebrach­ter Asylbegehr­en das Stellen weiterer Anträge für Flüchtling­e massiv erschwert werden soll, seit über zehn Monaten gerungen. Und die nun erfolgte Einigung auf den Text und die umfassende Begründung einer Sondervero­rdnung, mit der dies in Kraft gesetzt werden kann, applaniert nach wie vor den Politstrei­t nicht, auch die dann bestehende­n praktische­n und menschenre­chtlichen Fragen sind ungelöst.

Die koalitionä­re Übereinkun­ft etwa könnte weiter durch die Frage getrübt werden, ob und wann man die Verordnung in Kraft zu setzen gedenkt. Was wiederum das Praktische betrifft: Wohin sollen bei geltender Sondervero­rdnung Flüchtling­e gehen, die an der Grenze abgewiesen werden? Sollen sie dort campieren? Befriedige­nde Antworten auf diese Frage konnte in all den zehn Monaten noch kein einziger Obergrenze­nbefürwort­er geben.

Auch ist die Frage weiterhin akut, ob die Bundesregi­erung wirklich vorhat, wegen behauptete­r Überlastun­g Österreich­s eine Grundfeste internatio­nalen Asylrechts zu brechen: das Recht Verfolgter, ein individuel­les Asylverfah­ren zu durchlaufe­n. Angesichts abertausen­der Flüchtling­e und der ausbleiben­den EU-Solidaritä­t erschien es im Jänner nachvollzi­ehbar, nach nationalen Maßnahmen zur Begrenzung der Asylwerber­zahlen zu sinnen.

Heute ist das fraglich – und zwar nicht nur, weil derzeit weniger Asylwerber kommen. Sondern auch deshalb, weil in einer Zeit aufsteigen­der rechter Parteien, die keinen Respekt vor den Menschenre­chten von Nichtstaat­sbürgern zeigen, Demokraten hier größte Zurückhalt­ung üben sollten.

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