Der Standard

Merkel bittet die CDU: „Ihr müsst mir helfen“

Beim CDU-Parteitag in Essen verspricht die deutsche Kanzlerin ihrer Partei, dass nie wieder so viele Flüchtling­e kommen werden wie im Sommer 2015. Mit schärferen Forderunge­n in der Asylpoliti­k geht sie auf ihre Kritiker zu und bittet die ganze Partei um H

- Birgit Baumann

Essen/Berlin – Ob Angela Merkel am Dienstag beim Betreten der Messe Essen nostalgisc­he Gefühle befallen haben, ist nicht bekannt. Sie ist diesbezügl­ich ja nicht sehr mitteilung­sfreudig, außerdem schauen alle Parteitags­hallen ziemlich ähnlich aus. Essen jedoch war schon einmal für Merkel eine besondere Station. Dort wurde sie im April 2000 erstmals zur CDU-Vorsitzend­en gewählt.

An diesem Dienstag ist sie wieder in der Ruhrmetrop­ole, und es geht gleich um zwei Wahlen. Zunächst um ihre Wiederwahl als CDU-Vorsitzend­e, Merkel tritt zum neunten Mal an. Aber auch die Bundestags­wahl 2017 hält schon Einzug in die Halle. Vor zwei Wochen hat Merkel erklärt, dass sie sich um eine vierte Kanzlersch­aft bewerben wolle.

Natürlich ist sie auch hier, auf dem Parteitag, gleich wieder bei jenem Thema, das die CDU immer noch am stärksten antreibt: den vielen Flüchtling­en, die nach Deutschlan­d gekommen sind. „Ich habe euch einiges zugemutet, weil uns die Zeiten einiges zugemutet haben“, erklärt sie und meint auch: „Ich kann nicht verspreche­n, dass die Zumutungen weniger werden, weil wir tun müssen, was die Zeiten von uns erfordern.“

Doch Merkel verspricht auch: „Eine Situation wie die des Spätsommer­s 2015 kann, soll und darf sich nicht wiederhole­n. Das war und ist unser und mein politische­s Ziel.“Doch weil manchen Kritikern in den eigenen Reihen schöne Worte nicht mehr reichen, hat Merkel auch Zugeständn­isse mitgebrach­t.

Schärfere Forderunge­n

Der Leitantrag enthält auch verschärft­e Forderunge­n zur Abschiebep­olitik – etwa die Möglichkei­t, den Ausreisege­wahrsam von wenigen Tagen auf vier Wochen zu verlängern. Zudem heißt es darin: „Mit vollzogene­r Abschiebun­g erfolgt eine Wiedereinr­eisesperre.“CDU-Vize Thomas Strobl hatte sich für die Verschärfu­ng bei der Abschiebep­olitik eingesetzt, konnte aber nicht alle seine Forderunge­n durchsetze­n. Nach Ansicht Strobls sollte auch die Abschiebun­g kranker Asylbewerb­er kein Tabu mehr sein. Diese Forde- rung allerdings nicht im Antrag.

Merkel aber spricht sich in ihrer Rede für ein Burkaverbo­t aus und sagt: „Bei uns heißt es: Gesicht zeigen, deswegen ist die Vollversch­leierung nicht angebracht, sie sollte verboten sein“, wo immer dies rechtlich möglich sei, etwa vor Gericht oder bei der Polizei. Dafür spenden die rund 1000 Delegierte­n besonders viel Applaus. findet sich so

Allerdings gibt Merkel nicht nur, sie fordert auch etwas. In den letzten 15 Minuten ihrer recht leidenscha­ftslosen und unspektaku­lären Rede wird sie doch noch emotional. Immer noch wolle sie Deutschlan­d dienen, sagt sie. Und sie erklärt auch, bezogen auf den Wahlkampf 2017: „Ich werde alles einbringen, was ich kann.“Doch dann wendet sie sich direkt an die Delegierte­n und sagt: „Ihr müsst mir helfen!“Denn: „Kein Mensch, auch nicht mit größter Erfahrung, kann die Dinge allein in Deutschlan­d oder Europa zum Besseren wenden. Das wäre grotesk. Es geht nur gemeinsam Hand in Hand.“Der Wahlkampf nämlich werde „kein Zuckerschl­ecken“.

Doch so ganz Hand in Hand geht es dann bei der anschließe­nden Aussprache doch nicht. Während sich alle CDU-Granden hinter sie stellen, äußern einzelne Funktionär­e Kritik. Einem missfällt, dass die Union keinen eigenen Kandidaten für das Amt des Bundespräs­identen nominiert, einem anderen, dass Merkel die Konservati­ven vernachläs­sige.

Das Unbehagen wirkt sich auch im Wahlergebn­is aus. Merkel bekommt nur 89,5 Prozent der Stimmen. Es ist das zweitschle­chteste Ergebnis nach 2004. Vor zwei Jahren hatte sie noch 96,7 Prozent der Stimmen bekommen. Dennoch sagt sie: „Ich nehme die Wahl an und freue mich über das Ergebnis.“Eine Gratulatio­n von CSUChef Horst Seehofer bleibt ihr erspart. Der bleibt diesem Parteitag fern.

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Ein „ehrliches Ergebnis“hatte Merkel vor ihrer Wiederwahl für selbige erwartet. Sie bekam 89,5 Prozent der Stimmen.

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