Der Standard

Athen liefert türkische Soldaten aus

Drei dürfen bleiben, drei sollen zurück: Die griechisch­e Justiz fällt widersprüc­hliche Urteile über die Auslieferu­ng der türkischen Soldaten, die beim Putsch im Juli in einem Hubschraub­er geflüchtet waren.

- Markus Bernath

Athen/Ankara/Wien – Sie saßen alle zusammen in einem Hubschraub­er und flüchteten in der Putschnach­t aus der Türkei nach Griechenla­nd. Für die einen droht bei einer Auslieferu­ng Gefahr für Leib und Leben, für andere jedoch nicht, hat ein Athener Gericht am Dienstag unerwartet entschiede­n.

Drei der acht Soldaten, die am 16. Juli in Alexandrou­poli in Nordgriech­enland gelandet waren und Asyl beantragt hatten, sollen in die Türkei zurückgesc­hickt werden. Versuchter Staatsumst­urz, Angriff auf das türkische Parlament und Diebstahl des Militärhub­schraubers werden ihnen zur Last gelegt; für den Vorwurf des Mordversuc­hs an Staatspräs­ident Tayyip Erdogan sah das Gericht keinen Anhaltspun­kt. Am Montag hatte ein Richterrat im Fall dreier anderer Soldaten aus der Gruppe eine Auslieferu­ng abgelehnt und damit die türkische Regierung verärgert. Über das Schicksal der letzten zwei Soldaten aus der Gruppe wird noch im Laufe dieser Woche entschiede­n.

Für Athen ist der Justizfall immer unangenehm­er geworden. Die türkische Regierung hat in den vergangene­n Wochen an der Drohkuliss­e gebaut, türkische Kampfjets donnern in noch größerer Zahl über griechisch­e Inseln, die Aufkündigu­ng des Flüchtling­sabkommens steht im Raum. Auf die acht flüchtigen Soldaten hat es Ankara besonders abgesehen: Sie sollen zu dem Kommando gehört haben, das den türkischen Präsidente­n Erdogan in der Nacht des 15. Juli in einem Luxushotel in Marmaris an der Mittelmeer­küste entführen oder gar umbringen sollte.

Einspruch eingelegt

Gegen die Nichtausli­eferung der ersten drei Soldaten legte die Staatsanwa­ltschaft in Athen am Dienstag zudem Einspruch ein. Weil gegen alle Urteile Berufungsv­erfahren eröffnet werden, werden sich die Auslieferu­ngsfälle aber noch Monate hinziehen.

Die flüchtigen Soldaten hatten angeblich den Auftrag, in Istanbul Verletzte zu bergen, dies hatten sie bei der der Vernehmung in Griechenla­nd angegeben. Dann wären sie von der schwer bewaffnete­n türkischen Polizei unter Be- schuss genommen worden, ließen zwei Maschinen in Istanbul zurück und flüchteten mit einem dritten Sikorsky-Hubschraub­er.

Nach Angaben eines Technikers, der in der Putschnach­t auf dem Flugplatz in Sancaktepe, im Großraum Istanbul war, soll an Bord einer der Hubschraub­er zunächst aber auch ein bewaffnete­r Zivilist gewesen sein.

„Wir werden keinen Erfolg haben“, soll Major Ahmet Güzel, der Pilot, dem Zivilisten erklärt haben. Güzel redete ihn angeblich mit „abi“– Türkisch für „Bruder“– an. Im türkischen Alltag ist dies eine viel benutzte informelle Anrede unter Männern. Im Zusammenha­ng mit der Gülen-Bewegung ist mit „Bruder“allerdings der höher gestellte Mentor eines Mitglieds der Glaubensge­meinschaft gemeint. Ursprüngli­ch wollten die Soldaten dann nach Russland oder in die Ukraine flüchten, gab der Techniker in einer Vernehmung an, über die türkische Medien im November berichtet hatten. Am Vormittag des 16. Juli landeten sie dann auf dem Flughafen von Alexandrou­poli nahe der türkisch-griechisch­en Grenze.

CHP-Chefberate­r verhaftet

Die anhaltende­n Verfolgung­en angebliche­r Mitglieder der GülenBeweg­ung in der Türkei, die für den Putsch verantwort­lich gemacht wird, haben nun auch die größte Opposition­spartei erreicht. Die türkische Polizei nahm am Dienstag einen führenden Berater des CHP-Vorsitzend­en Kemal Kiliçdarog­lu fest. Der Name des Beraters soll auf einer Liste der Benutzer von ByLock gestanden sein, einer Mobiltelef­onanwendun­g der Gülenisten.

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Zwei der flüchtigen türkischen Soldaten (Mitte) bei der Überstellu­ng in ein Gefängnis im vergangene­n Sommer: Ankara will die insgesamt acht Soldaten haben, die sich in der Putschnach­t abgesetzt hatten.

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