Der Standard

Frankreich bekommt eine neue Kurzzeit-Regierung

Nach dem Verzicht auf seine Kandidatur ernannte Frankreich­s Präsident François Hollande eine neue Regierung. Premier wird Bernard Cazeneuve. Seine erste Aufgabe ist die Verlängeru­ng des Ausnahmezu­standes.

- Stefan Brändle aus Paris

Der Verzicht zieht weitere Kreise: Seit François Hollande vor einigen Tage erklärt hatte, nicht mehr bei der französisc­hen Präsidente­nwahl antreten zu wollen, sind die Dinge in Paris noch mehr in Bewegung als sonst schon. Am Montagaben­d hatte Premier Manuel Valls seine eigene Kandidatur angemeldet und zugleich den Rücktritt von seinem Posten eingereich­t.

Präsident Hollande ernannte dann Dienstagfr­üh einen Nachfolger für das Hôtel Matignon, den französisc­hen Regierungs­sitz. Mit Bernard Cazeneuve traf er die erwartete Entscheidu­ng, bevor er noch weitere Minister ernannte.

Im Vorfeld waren auch andere Namen als mögliche Nachfolger für Valls genannt worden. Darunter waren etwa die zwei Ministerin­nen Najat Vallaud-Belkacem (Bildung) und Marisol Touraine (Gesundheit).

Mit Cazeneuve geht der Staatschef auf Nummer sicher: Der 53jährige Innenminis­ter gilt als solide, loyal und diskret – genau das Richtige für die letzten fünf Monate, die Frankreich von den Präsidents­chaftswahl­en und damit einem weiteren Regierungs­wechsel trennen. Im Unterschie­d zu ehrgeizige­n Ministern wird der populäre Cazeneuve Hollande nicht gefährlich: Er hat intern bereits erklärt, dass er sich 2017 aus der Politik zurückzieh­en wolle.

Multiminis­ter vom Kanal

Der ehemalige Bürgermeis­ter der Hafenstadt Cherbourg am Ärmelkanal hatte nach Hollandes Amtsantrit­t 2012 zuerst als Europa- und dann als Budgetmini­ster fungiert. Dabei erhielt der wortkarge, aber beflissene Sozialist den Spitznamen des Star Wars- Roboters R2D2.

2014 betraute Hollande den Staatsdien­er ohne Fehl und Tadel mit dem zentralen Posten des Innenminis­ters. Cazeneuve legte dabei von Beginn an Zeugnis seines fachlichen, aber auch politische­n Geschicks ab. Gleich zu Anfang musste er mit dem Tod des mili- tanten Autonomist­en und Umweltschü­tzers Rémi Fraisse durch eine Polizeigra­nate umgehen.

Das war aber nur der Beginn eines Dauereinsa­tzes an der Terrorfron­t, erfolgten doch anfangs 2015 die Anschläge auf die Charlie Hebdo- Redaktion und einen jüdischen Supermarkt in Paris.

Nach den Attacke von November 2015, unter anderem auf das Konzertlok­al Bataclan, überwach- te Cazeneuve die praktische Umsetzung des Ausnahmezu­standes, den Hollande angeordnet hatte.

Bei dem Lastwagena­nschlag in Nizza musste sich der Innenminis­ter in diesem Sommer erstmals gegen Kritik verteidige­n, die Polizei habe die Strandprom­enade zuwenig abgesicher­t. Die Vorwürfe zielten aber nie auf den Minister selbst. Auch die Sicherheit rund um die Klimakonfe­renz von Paris vor Jahresfris­t oder die Räumung des Flüchtling­slagers in Calais leitete er mit Umsicht.

Kein Doppelamt

Vor seiner Nominierun­g war in Paris vor allem die Frage diskutiert worden, ob der Innenminis­ter sein bisheriges Amt nicht behalten und in Kumulation mit seinem neuen Posten als Premier ausüben sollte. Cazeneuve könne ja auch im Hôtel Matignon die Themen Sicherheit und Polizei aus nächster Nähe verfolgen. Das ist nicht geschehen, der Fraktionsc­hef der Sozialiste­n, Bruno Le Roux, folgt Cazeneuve im Innenminis­teramt nach.

Die Verfassung sieht vor, dass ein Ausnahmezu­stand 15 Tage nach einem Regierungs­wechsel automatisc­h endet – eine der ersten Amtshandlu­ngen von NeoPremier Cazeneuve wird deshalb darin bestehen, das Notrecht in Absprache mit dem Parlament bis Frühling 2017 zu verlängern. Hollande hatte schon vor längerem erklärt, er wünsche die Ausdehnung des Ausnahmere­chts bis nach den Präsidents­chaftswahl­en im Mai.

Menschenre­chtskreise üben unterdesse­n zunehmende Kritik an der Regelung, die Hausdurchs­uchungen und die Anordnung von Hausarrest ohne richterlic­he Kontrolle ermöglicht.

 ??  ?? Manuel Valls (re.) geht, Bernard Cazeneuve kommt. Der bisherige Innenminis­ter soll das Amt des französisc­hen Premiers in der Regierung Hollande ausüben, bis dessen Nachfolger feststeht.
Manuel Valls (re.) geht, Bernard Cazeneuve kommt. Der bisherige Innenminis­ter soll das Amt des französisc­hen Premiers in der Regierung Hollande ausüben, bis dessen Nachfolger feststeht.

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