Frankreich bekommt eine neue Kurzzeit-Regierung
Nach dem Verzicht auf seine Kandidatur ernannte Frankreichs Präsident François Hollande eine neue Regierung. Premier wird Bernard Cazeneuve. Seine erste Aufgabe ist die Verlängerung des Ausnahmezustandes.
Der Verzicht zieht weitere Kreise: Seit François Hollande vor einigen Tage erklärt hatte, nicht mehr bei der französischen Präsidentenwahl antreten zu wollen, sind die Dinge in Paris noch mehr in Bewegung als sonst schon. Am Montagabend hatte Premier Manuel Valls seine eigene Kandidatur angemeldet und zugleich den Rücktritt von seinem Posten eingereicht.
Präsident Hollande ernannte dann Dienstagfrüh einen Nachfolger für das Hôtel Matignon, den französischen Regierungssitz. Mit Bernard Cazeneuve traf er die erwartete Entscheidung, bevor er noch weitere Minister ernannte.
Im Vorfeld waren auch andere Namen als mögliche Nachfolger für Valls genannt worden. Darunter waren etwa die zwei Ministerinnen Najat Vallaud-Belkacem (Bildung) und Marisol Touraine (Gesundheit).
Mit Cazeneuve geht der Staatschef auf Nummer sicher: Der 53jährige Innenminister gilt als solide, loyal und diskret – genau das Richtige für die letzten fünf Monate, die Frankreich von den Präsidentschaftswahlen und damit einem weiteren Regierungswechsel trennen. Im Unterschied zu ehrgeizigen Ministern wird der populäre Cazeneuve Hollande nicht gefährlich: Er hat intern bereits erklärt, dass er sich 2017 aus der Politik zurückziehen wolle.
Multiminister vom Kanal
Der ehemalige Bürgermeister der Hafenstadt Cherbourg am Ärmelkanal hatte nach Hollandes Amtsantritt 2012 zuerst als Europa- und dann als Budgetminister fungiert. Dabei erhielt der wortkarge, aber beflissene Sozialist den Spitznamen des Star Wars- Roboters R2D2.
2014 betraute Hollande den Staatsdiener ohne Fehl und Tadel mit dem zentralen Posten des Innenministers. Cazeneuve legte dabei von Beginn an Zeugnis seines fachlichen, aber auch politischen Geschicks ab. Gleich zu Anfang musste er mit dem Tod des mili- tanten Autonomisten und Umweltschützers Rémi Fraisse durch eine Polizeigranate umgehen.
Das war aber nur der Beginn eines Dauereinsatzes an der Terrorfront, erfolgten doch anfangs 2015 die Anschläge auf die Charlie Hebdo- Redaktion und einen jüdischen Supermarkt in Paris.
Nach den Attacke von November 2015, unter anderem auf das Konzertlokal Bataclan, überwach- te Cazeneuve die praktische Umsetzung des Ausnahmezustandes, den Hollande angeordnet hatte.
Bei dem Lastwagenanschlag in Nizza musste sich der Innenminister in diesem Sommer erstmals gegen Kritik verteidigen, die Polizei habe die Strandpromenade zuwenig abgesichert. Die Vorwürfe zielten aber nie auf den Minister selbst. Auch die Sicherheit rund um die Klimakonferenz von Paris vor Jahresfrist oder die Räumung des Flüchtlingslagers in Calais leitete er mit Umsicht.
Kein Doppelamt
Vor seiner Nominierung war in Paris vor allem die Frage diskutiert worden, ob der Innenminister sein bisheriges Amt nicht behalten und in Kumulation mit seinem neuen Posten als Premier ausüben sollte. Cazeneuve könne ja auch im Hôtel Matignon die Themen Sicherheit und Polizei aus nächster Nähe verfolgen. Das ist nicht geschehen, der Fraktionschef der Sozialisten, Bruno Le Roux, folgt Cazeneuve im Innenministeramt nach.
Die Verfassung sieht vor, dass ein Ausnahmezustand 15 Tage nach einem Regierungswechsel automatisch endet – eine der ersten Amtshandlungen von NeoPremier Cazeneuve wird deshalb darin bestehen, das Notrecht in Absprache mit dem Parlament bis Frühling 2017 zu verlängern. Hollande hatte schon vor längerem erklärt, er wünsche die Ausdehnung des Ausnahmerechts bis nach den Präsidentschaftswahlen im Mai.
Menschenrechtskreise üben unterdessen zunehmende Kritik an der Regelung, die Hausdurchsuchungen und die Anordnung von Hausarrest ohne richterliche Kontrolle ermöglicht.