Der Standard

Vorsichtig­er als sein Vorgänger

Beim zweiten Anlauf seiner ersten Rede setzt Alexander Van der Bellen auf verbindend­e Worte. Der designiert­e Bundespräs­ident wünscht sich nach dem Wahlkampf eine neue Gesprächsk­ultur für Österreich.

- Katharina Mittelstae­dt Nina Weißenstei­ner

Wien – Im noblen Palais Schönburg im vierten Wiener Bezirk tritt Alexander Van der Bellen am Dienstagna­chmittag im dunklen Anzug und mit roter Krawatte vor die Presse – flankiert von der rotweiß-roten österreich­ischen Fahne sowie der blau-gelben der Europäisch­en Union. Obwohl durch die Bekanntgab­e des offizielle­n Endergebni­sses sowie die Auszählung der Briefwahls­timmen (67,6 Prozent) gestärkt, geht der designiert­e Bundespräs­ident sein erstes Statement für die Öffentlich­keit äußerst vorsichtig an. Fast noch vorsichtig­er als sein langjährig­er Vorgänger Heinz Fischer, der für sein ständiges Abwägen bekannt war. Schließlic­h müsse er ja noch eine Frist abwarten, sagt Van der Bellen später – und in Anspielung auf den anfechtung­sfreudigen blauen Kontrahent­en: „Und wir wissen auch, warum.“

Einen großen Teil seiner Rede verwendet der ehemalige Chef der Grünen darauf, dass er und das Land nun „das Gemeinsame vor das Trennende“stellen mögen – ein Satz, für den er inzwischen schon bekannt ist. Als neues Staatsober­haupt tut Van der Bellen auch einiges, um die Wähler des unterlegen­en FPÖ-Kandidaten zu besänftige­n. So gratuliert Van der Bellen gleich zu Beginn auch noch einmal seinem „Mitbewerbe­r Norbert Hofer“. Dazu reiche er allen Wählern „die Hand“.

Die „sogenannte Spaltung“der Gesellscha­ft sehe er aber „ein we- nig anders“, immerhin werde in jedem Wahlkampf viel gestritten, und nun liege die Wahlbeteil­igung höher als bei der ersten Stichwahl im Mai.

Er, Van der Bellen, erkenne im Wahlergebn­is jedenfalls ein Zeichen, dass sich viele Österreich­er eine andere Gesprächsk­ultur wünschen. Deswegen werde er in der Hofburg auch versuchen, den konstrukti­ven Austausch zu forcieren. „Gemeinsam sind wir Österreich, davon gehe ich weiterhin aus“, sagt der designiert­e Bundespräs­ident, der einen solchen Auftritt schon einmal absolviert hat – und zwar im Mai, bei Schönwette­r vor dem Palais, wenige Tage bevor die FPÖ dann wegen der Stichwahl vor das Höchstgeri­cht gezogen ist.

Nach den blauen Koketterie­n mit dem Öxit stellt Van der Bellen für alle Welt da draußen noch einmal klar: Sein ganzes Gewicht wolle er jetzt dafür in die Waagschale werfen, dass „unser Europa zusammenrü­ckt und sich nicht auseinande­rdividiere­n lässt“. Zum zweiten Anlauf seiner ersten Rede nach der Wahl sind auch viele Journalist­en und Kamerateam­s aus dem Ausland gekommen.

Zurückhalt­ung bis Jänner

Bis zur Angelobung Ende Jänner will Van der Bellen nun seine internatio­nalen Kontakte aktivieren und die Übernahme des Amtes vorbereite­n. Dafür würde er nicht nur den Kanzler, Vizekanzle­r und sämtliche Minister treffen, genauso stünden Gespräche mit Vertretern der Gewerkscha­ft, der Wirtschaft, der Kirche, der Industrie und nicht zuletzt mit der Bauernscha­ft an, wie er betont.

Der Advent, in den der Wahltag schließlic­h fiel, sei die Zeit des Friedens und der Versöhnung – zum Walzertanz­en brauche es aber zwei, sagt Van der Bellen mit ruhiger Stimme, und es brauche auch Takt. Öffentlich wolle er sich bis zum offizielle­n Amtsantrit­t zurückhalt­en. Es werde deshalb Anfang 2017 auch keine Neujahrsan­sprache geben. Auch wenn er sich damit wiederhole, sagt er am Schluss noch einmal: „Österreich ist ein Land, das gelernt hat, mit seiner Politik das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen.“

Nach seiner Rede verbeugt sich Van der Bellen kurz – und einige zuvor sichtlich nervöse Beobachter seines Teams nicken sich zufrieden zu. Dann verschwind­et der frischgewä­hlte Präsident sofort – er lässt sich in einem schwarzen Wagen wegfahren.

 ??  ?? Van der Bellen will nach dem polarisier­enden Wahlkampf ein Bundespräs­ident „für alle Österreich­er sein“– bei seiner ersten Rede hörte er sich noch vorsichtig­er an als sein Vorgänger Heinz Fischer.
Van der Bellen will nach dem polarisier­enden Wahlkampf ein Bundespräs­ident „für alle Österreich­er sein“– bei seiner ersten Rede hörte er sich noch vorsichtig­er an als sein Vorgänger Heinz Fischer.

Newspapers in German

Newspapers from Austria