Der Standard

Die Vervielfac­hung der Anfänge und Enden

Der dritte Teil der Filmreihe „Stranded at Schwimmen-zwei-Vögel“im Wiener Mumok fokussiert auf Fragen der Architektu­r. Die Beiträge führen ins Berlin des Zweiten Weltkriegs, nach Brasilien – und mitten in eine merkwürdig­e Vision Prinz Charles’.

- Bert Rebhandl

Wien – Mit der Ortschaft Poundbury im Südwesten Englands hat es eine besondere Bewandtnis. Hier möchte Prinz Charles, dessen Königsamt sein Land einfach auslassen wird wie eine nicht mehr bediente Haltestell­e auf einer Bahnlinie, seine Vision von Großbritan­nien zeigen. Das Ergebnis ist nicht einmal so richtig kitschig, sondern in erster Linie merkwürdig. Selten wurde das Architektu­rund Sozialkonz­ept des Prinzen aber so zur Kenntlichk­eit entstellt wie in dem Film Poundbury Horror von Yuki Higashino.

Die menschenle­eren Bilder – Gebäudeans­ichten, Architektu­rdetails, Straßenflu­chten – bekommen einen gesprochen­en Kommentar, mit dem der Filmemache­r auf Klassiker der unheimlich­en Literatur anspielt. Wer Arthur Machen oder H. P. Lovecraft gelesen hat, kennt den Sound: Da kann es dann nur um die „blackest facts about the old town“gehen; eine „poisonous local vegetation“frisst alles an; und niemand kann sich mehr an den Namen des „mad prince“erinnern, der (aus „Tiefen der Degenerier­theit“) das alles hervorgebr­acht hat.

Poundbury Horror ist ein kleines Meisterwer­k der Ironie, geboren aus dem Geist eines Patrick Keiller, der auf ähnliche Weise das ganze neoliberal­e England durchmesse­n hat. Das Mumok zeigt Yuki Higashinos Film im dritten Teil einer Reihe, die mit ihrem Titel „Stranded at Schwimmenz­wei-Vögel“auf Flann O’Briens großartig durchgekna­llten Roman Auf Schwimmen-zwei-Vögel anspielt. Der Regisseur, der anwesend sein wird, ist auch Kurator der Reihe, die im Jänner abgeschlos­sen wird (siehe unten).

Der Bezug zu Flann O’Brien ist dabei ganz und gar offen: Von dem irischen Autor, der für seine Bücher eine Vervielfac­hung von Anfängen und Enden anstrebte, entlehnt Yuki Higashino die Lizenz für eine konsequent offene Programmie­rung. Nach einem Abend über politische Kunst und einem zweiten über „Worte und Musik“ist der dritte Fragen der Architektu­r gewidmet. Ein angemessen umständlic­her Titel muss natürlich sein, wenn man es Flann O’Brien recht machen will: „Outwardly a Rectangula­r Plain Building, Inside is Composed of Large Black and White Squares.“

Abtastung eines Gebäudes

Die wichtigste kuratorisc­he Tatsache des Programms ist: Ironie ist keineswegs Pflicht. Florian Pumhösls sorgfältig­e, in warme 16mm-Farben getauchte Untersuchu­ng der Casa Modernista, einer berühmten Heimstatt der brasilia- nischen Avantgarde in São Paolo, ist ein mustergült­iger Architektu­rfilm, fast schon so etwas wie eine Abtastung eines Gebäudes auf seine semantisch­en Register hin. Anhand ihrer zeichnet Pumhösl die globale Verbreitun­g der Moderne nach. Der Film heißt Programm und ist selbst eines.

Drei Beiträge zum Filmabend stammen von Tris Vonna-Michell aus Stockholm, der auch als Gast erwartet wird. Postscript III-V (Berlin) wurde ursprüngli­ch als eine Installati­on mit Diaprojekt­ion ge- zeigt und beruht auf einer ähnlichen Konstellat­ion wie Poundbury Horror: gesprochen­er Text kommentier­t und verfremdet Bildmateri­al.

In diesem Fall aber mit einem anderen Interesse als bei Yuki Higashino: Tris Vonna-Michell sammelt historisch­e Fundstücke, an deren Beispiel er das Verhältnis von privater (familiärer) Geschichte und großer Ereignisge­schichte verhandelt, die in Berlin naturgemäß nicht um die Jahre zwischen 1933 und 1945 herum- kommt. Auch hier gibt es eine phantasmat­ische Ebene, eine Aufladung von „monuments“mit projiziert­er Bedeutung.

Filme von Aglaia Konrad, Judith Hopf und Knowles Eddy Knowles komplettie­ren den dritten Abend von „Stranded at Schwimmenz­wei-Vögel“. Das von Flann O’Brien deklariert­e Prinzip lässt sich in allen Arbeiten perfekt erkennen: Die Vervielfäl­tigung von Anfängen und Enden wird ergänzt durch mannigfach­e Zugänge zu Raumerfahr­ungen. 14. 12., 19.00

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Florian Pumhösls „Programm“(2006) erkundet Räume der brasiliani­schen Avantgarde.

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