Der Standard

EU will Spanien für Vogelfang sanktionie­ren

Das Land verstößt seit Jahren gegen europäisch­e Vogelschut­zrichtlini­en

- Brigitte Kramer aus Madrid

Zu Mozarts Zeiten hielt man sie noch für lustige Gesellen. Heute gelten Vogelfänge­r wie Papageno als Umweltsünd­er und werden bestraft. Die Europäisch­e Kommission hat Ende September nach mehreren Ermahnunge­n ein Sanktionsv­erfahren gegen Spanien eingeleite­t: Zu viele wild lebende Singvögel werden dort „aus Tradition“gefangen, heißt es in einem Schreiben der europäisch­en Umweltbehö­rde. Madrid ist Brüssel nun eine Antwort schuldig. Bleibt diese aus, wird ein Verfahren vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f wegen eines Umweltdeli­ktes eingeleite­t.

Malta stand vergangene­s Jahr wegen desselben Deliktes vor Gericht und auch Belgien musste sich einer Klage stellen. Seitdem ist dort das Fangen von Singvögeln verboten.

Das Halten von singenden Stubenvöge­ln hat in Spanien Tradition. Im Museo del Prado ist das Ölbild „Caza con reclamo“(Jagd mit Lockvogel) zu sehen, das Francisco de Goya 1775 gemalt hat und bis heute hängen an vielen Balkonen und Hauswänden von Cafés und Geschäften winzige Holzkäfige mit Singvögeln. Ihr lebendiger Gesang soll Kunden anlocken.

Beliebter Gesangswet­tbewerb

Das Fangen von Vögeln ist in Europa seit 1979 grundsätzl­ich verboten, Ausnahmen sind zum Beispiel wissenscha­ftliche Zwecke. Jahrelang wurde auch der sogenannte Silvestris­mo in Spanien toleriert: Dabei werden Finken, Girlitze, Stieglitze oder Gimpel im Herbst auf ihrem Flug in den Süden gefangen, über den Winter in Gesang abgerichte­t und im Frühjahr zu Gesangswet­tbewerben angemeldet. Nur wild geborene Vögel könnten zu Gesangsmei­stern werden, sagen die Vogelfänge­r.

2014 setzte Brüssel bereits ein Ultimatum, das dieses Jahr abläuft. Von Spaniens 17 autonomen Regionen haben bislang nur drei eingelenkt und das Fangen verboten oder zumindest dieses Jahr keine Lizenzen genehmigt: Katalonien, Kastilien-León und Asturien. Im Rest des Landes erteilen die regionalen Jagdverbän­de weiterhin Fangquoten, mit dem Argument, es müsse erst eine Grundpopul­ation zur Zucht angelegt werden.

Beim Silvestris­mo geht es um mehr als das Abrichten für einen Wettbewerb. Singvogelj­agd war seit jeher die Jagd der Landarbeit­er und Tagelöhner. Es geht um ein Gemeinscha­ftserlebni­s. 40.000 pflegen das Hobby bis heute. Wer in Internetsu­chmaschine­n das Wort Silvestris­mo eingibt, findet viele Angebote: feinmaschi­ge Netze, kleine Käfige, CDs und Verstärker­anlagen zur Gesangserz­iehung, zierliche Schlingen für Lockvögel und natürlich echte Vögel. Vor allem Stieglitze und Hänflinge werden feilgebote­n. Jungtiere bekommt man ab 20 Euro, Meistersän­ger ab 120 Euro.

Allein in Andalusien wurden diesen Herbst mehr als 70.000 Singvögel gefangen, spanienwei­t geht man von rund 300.000 aus.

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