Neue Einblicke in Blutgefäße und grünen Tee
Interdisziplinäres Forschungszentrum für Medizintechnik an der FH Oberösterreich
Hagenberg – Wie können die von Zecken übertragenen FSME-Viren die Blut-Hirn-Schranke durchdringen und eine Entzündung des Gehirns auslösen? Welche Mechanismen tragen dazu bei, dass sich das Cholesterin in Blutgefäßen ablagert, sie verengt und so etwa Arterienverkalkung und Gerinnsel auslösen kann? Fragen wie diese sollen im Rahmen des Anfang November gestarteten Projekts „Czech-AustrianCenter for Supracellular Medical Research“, bei dem tschechische Forschungsinstitute mit Kollegen der Johannes Kepler Universität Linz, der Medizinischen Universität Wien und der Fachhochschule Oberösterreich zusammenarbeiten, unter anderem experimentell beantwortet werden.
An der FH Oberösterreich ist es eines der ersten Projekte, an denen im Rahmen des neuen fakultätsübergreifenden „Timed Center – Technological Innovation in Medicine“gearbeitet wird. Diese neue Wissenschaftsplattform bündelt die Forschungsbemühungen im Bereich der Medizintechnik, die an den Standorten Hagenberg, Wels und Linz aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen resultieren, und baut sie weiter aus.
„Die drei Fachhochschulstandorte kooperieren bereits mehrere Jahre bei Projekten im Bereich der Medizintechnik“, erklärt Zentrumsleiter Thomas Kern, der selbst im Softwarebereich am Standort Hagenberg tätig ist. „Wir haben uns nun entschlossen, die Aktivitäten strategischer auszurichten und auf eine gemeinsame Basis zu stellen.“
Eine neue Ausrichtung beinhaltet interdisziplinäre Forschungsfelder wie medizinische Sensorik und Bildgebung, biomedizinische Datenanalyse, Wirkstoffcharakterisierung, Simulationen sowie Biomimetik und Materialentwicklung. Die FH Oberösterreich erhält dafür eine Basisfinanzierung vom Land Oberösterreich im Ausmaß von 1,25 Millionen Euro für 2016 bis 2020. Insgesamt 24 Personen sind laut Kern an den drei Standorten an dem neuen Medizintechnik-Zentrum beteiligt.
Biosysteme imitieren
Das tschechisch-österreichische Forschungsprojekt, für das zusätzlich knapp 1,6 Millionen Euro an Drittmitteln lukriert werden konnten, fällt in den Bereich der Biomimetik. Damit sollen unter anderem Materialien für Implantate und Prothesen oder für die medizinische Forschung entwickelt werden, mit denen die mechanischen und die chemischen Eigenschaften biologischer Systeme bestmöglich nachgeahmt werden können.
Mithilfe eines nanolithografischen Verfahrens sollen in dem Projekt etwa auch gewebeähnliche Trägermaterialien entwickelt werden, an denen dann menschliche Zellschichten aufgebaut werden können. Blutgefäße und andere Gewebearten, die auf diese Art simuliert werden, sollen bessere Einblicke in Stoffwechsel oder Blutfetttransport geben können, als das etwa in einem Tiermodell möglich ist, erläutert Kern. Der Zeitplan: „Erste Strukturen, mit denen man die Zellschichten eines Gewebes nachbilden kann, sollen für die medizinische Forschung innerhalb von zwei Jahren bereitstehen.“
Einer der vielen Forschungsansätze des Zentrums liegt in der Wirkstoffbestimmung und -charakterisierung durch mikroskopische Verfahren und Datenanalyse am Standort Wels. Hier geht man etwa der Frage nach, welche Pflanzeninhaltsstoffe positiven Einfluss auf den Verlauf von Diabetes haben können.
Im kommenden Jänner soll ein neues Projekt starten, das wissenschaftliche Erkenntnisse über gesundheitsfördernde Wirkungen von Grün- und Schwarztee auf zellulärer Ebene bringen soll, erklärt Kern. Gemeinsam mit einem Hersteller sollen so etwa Teeextrakte für pharmazeutische Produkte entstehen. (pum)