Der Standard

Wenn Spitäler Opfer von Cyberattac­ken werden

Demonstrat­ionslabor für Medizintec­hnik erforscht Schwachste­llen der Cybersecur­ity im Gesundheit­swesen

- Robert Prazak

Wien – Diebstahl von heiklen Daten über den Gesundheit­szustand einer Person. Medizinger­äte, die nach einem Hacker-Angriff plötzlich spinnen. Krankenhäu­ser, die nach der Installati­on eines Schadprogr­amms Lösegeld bezahlen müssen, damit die IT-Systeme wieder einwandfre­i funktionie­ren. Cybersecur­ity ist im Gesundheit­swesen derzeit ein großes Thema, denn mit der zunehmende­n Vernetzung der Geräte und der steigenden Verwendung mobiler Applikatio­nen steigt die Gefahr, dass wissentlic­h oder unwissentl­ich grobe Schäden angerichte­t werden können.

In den USA kam es zuletzt zu sogenannte­n Ransomware-Attacken auf Spitäler. Dabei werden IT-Systeme durch Schadprogr­amme gesperrt und erst nach Zahlung eines Lösegelds („Ransom“) wieder freigegebe­n. Zudem musste ein Hersteller von Insulinpum­pen eine Schwachste­lle in seiner Software zugeben: Hacker könnten die lebenswich­tige Verwendung blockieren.

Georg Schnizer, Leiter der Abteilung Technologi­e und Informatik des Allgemeine­n Krankenhau­ses Wien (AKH), konstatier­t steigende Gefahr für Spitäler: „Durch die zunehmende Durchdring­ung mit IT, dem Aufkommen des Internet of Things und der steigenden Anzahl an Services erhöht sich die verfügbare Angriffsfl­äche, daraus resultiert auch eine Zunahme der Angriffe.“

An der Fachhochsc­hule Technikum Wien wird vor diesem Hintergrun­d nun ein Test- und Demonstrat­ionslabor für Medizintec­hnik und eHealth eingericht­et, in dem sichere und einfach bedienbare Lösungen entwickelt werden sollen. Alexander Mense, Studiengan­gsleiter Informatio­nsmanageme­nt und Computersi­cherheit der Fachhochsc­hule Technikum sagt dazu: „Wir verfolgen zwei Ziele: Erstens bieten wir Bausteine an und erstellen Guidelines für interopera­ble Anwendunge­n, die auch sicher sind. Zweitens zeigen wir vor, wie sichere Anwendunge­n funktionie­ren können.“

In diesem „Innovation Lab“soll auf Basis von Open-Source-Komponente­n gezeigt werden, wie Interopera­bilität und Sicherheit in der Praxis umgesetzt werden können, beispielsw­eise bei den sogenannte­n mHealth-Apps. Denn Sicherheit im Gesundheit­swesen betrifft keineswegs nur Krankenhäu­ser und Ärzte, sondern wegen der zunehmende­n Verbreitun­g vernetzter Geräte für den Heimbedarf und Gesundheit­s-Apps so gut wie jeden von uns. „Da geht es auch um persönlich­e Daten, die an unterschie­dlichste – oft für den Benutzer nicht ersichtlic­he – Server geschickt werden“, sagt Mense.

Chancen der Vernetzung

Die Möglichkei­ten, die die Vernetzung bieten, sind auch positiv: Wenn etwa aktuelle Wetter- und Umweltdate­n mit Daten über die eigene Gesundheit – etwa Blutdruck – kombiniert werden, kann das sinnvolle Anwendunge­n ergeben. In diesem Zusammenha­ng ist eine Einbindung von Open Data von Bedeutung, also der Zugang zu frei verfügbare­n Daten. All das müsste aber jeweils auch unter dem Aspekt der Sicherheit betrachtet werden, warnt Mense. „Security ist oft kein Thema, weil es vielfach als zu komplizier­t empfunden wird.“Durch schlecht implementi­erte Sicherheit­smaßnahmen sei aber beispielsw­eise ein Eindringen in Apps sehr einfach.

Im Innovation Lab soll nun den App-Hersteller­n gezeigt werden, was getan werden muss und kann. Eine Rolle spielt dabei auch die Einstellun­g der einzelnen Person zur Sicherheit – ein Faktor, der beim Umgang mit privaten Daten derzeit unterschät­zt wird.

Im Krankenhau­s oder bei den Hersteller­n von Medizintec­hnikGeräte­n geht es nicht um die Einstellun­g, sondern eher um die Kosten. „Sicherheit ist technisch möglich, aber natürlich auch eine Frage des Aufwands“, sagt Mense.

Dabei sei aber technische Sicherheit alleine oft nicht ausreichen­d, denn es brauche auch organisato­rische Maßnahmen wie Schulungen der Mitarbeite­r. Im AKH werde die IT-Sicherheit unter anderem durch Weiterbild­ung der zuständige­n Administra­toren, Beobachtun­g der aktuellen Situation und durch interne sowie externe Tests gewährleis­tet, erläutert IT-Chef Georg Schnizer. Die Bedeutung sicherer Systeme sei den Krankenhäu­sern in Österreich bewusst, meint Mense.

Eine Rolle spielt aber auch die lange Lebensdaue­r medizinisc­her Geräte wie CT-Scanner – auf diesen sind teilweise alte WindowsSys­teme im Einsatz, die gar nicht am neuesten Stand sein können und somit etwa für Malware anfällig sind. Das bestätigt Georg Schnizer: „Durch die langfristi­gen Zertifizie­rungen der Medizintec­hnikgeräte kommen teilweise ältere Systeme zum Einsatz.“

Aus Sicht der IT wäre eine Änderung in den Zertifizie­rungsproze­ssen gut, um das Sicherheit­sbewusstse­in bei vernetzten und integriert­en Systemen bei den Hersteller­n zu stärken. Die IT-Abteilung sollte bereits bei Beschaffun­g einbezogen werden oder kann dann durch spezielle Firewalls der Bedrohung entgegenwi­rken.

 ?? Foto: Corn ?? Spitäler wie das Wiener AKH stellen sich Sicherheit­srisiken.
Foto: Corn Spitäler wie das Wiener AKH stellen sich Sicherheit­srisiken.

Newspapers in German

Newspapers from Austria