Die Erschaffung von Klangskulpturen
An der Kunst-Uni Graz wurde ein Musiksystem entwickelt, das 3-D-Raumklang von einem Punkt aus ermöglicht. Ein Start-up macht daraus ein Produkt für Klanginstallationen und audiophile Hörer.
Graz – Das Musikzimmer könnte in Zukunft anders aussehen. Anstelle der edlen Stereoboxen oder der vielen Hoch- und Tieftöner einer Hightech-Surroundanlage, die den Raum von seinen Rändern her beschallen, könnte dann eine einzige Skulptur in seiner Mitte stehen. Eine Skulptur, die selbst aus 20 Lautsprechern besteht, die ihre Klänge in unterschiedlicher, genau berechneter Intensität an die Wände des Raumes verschickt, wo sie reflektiert werden, um schließlich an das Ohr des audiophilen Hörers zu dringen. Auch der Klang soll sich dann skulpturenhaft im Raum manifestieren.
Das junge Grazer Audiotechnikunternehmen Sonible ist dabei, ein derartiges 3-D-Lautsprechersystem – sie nennen es IKO – auf den Markt zu bringen. Neben audiophilen Heimanwendern sollen künstlerische Klanginstallationen und Messtechniker, die die Akustik eines Raumes vermessen wollen, von dem System profitieren. Im November wurde das 3-DKlangsystem erstmals bei der Tonmeistertagung in Köln als fertiges Produkt einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt.
Alexander Wankhammer, der gemeinsam mit Ralf Baumgartner und Peter Sciri das Unternehmen gegründet hat, gibt sich gespannt, wie gerade audiophil interessierte Menschen mit ihrem emotionalen Zugang zur Klangkunst auf die ausgeklügelte Technologie reagieren und wie man „die Brücke von der Technik zum Empfinden schlagen kann“.
Begonnen hat die Geschichte des IKO allerdings schon vor mehr als zehn Jahren am Institut für Elektronische Musik und Akustik (IEM) der Kunstuniversität Graz, wo Franz Zotter die Entwicklung des Lautsprechersystems im Rahmen seiner Dissertation angesto- ßen hat. „Wir hatten ein Projekt mit der Musikethnologie und wollten Gamelan-Musik aus Java richtig wiedergeben“, erinnert sich Zotter. 26 Mikrofone nahmen die Charakteristik der Instrumente, die je nach Position des Zuhöreres anders klingen, auf. Im Versuch, diese Aufnahmen räumlich wiederzugeben, baute Zotter mit Studierenden einen Prototyp des 3-DKlangsystems: In ein von einem Tischler angefertigtes Gehäuse wurden die Lautsprecher eingebohrt und verkabelt.
Die Schallstrahlen
Ein komplexes Softwaresystem sollte sie richtig ansprechen, sodass sich die Schallstrahlen teilweise aufheben, teilweise aber bündeln und in eine bestimmte Richtung abstrahlen, um nach der Reflexion an einer Wand ein räumliches Klangphänomen für den Hörer abzugeben. Für Zotter sei etwa die exakte Rundumvermessung der Lautsprecheraktivi- tät eine Herausforderung gewesen, wie er im Rückblick erläutert.
Schon früh sei zudem die Idee entstanden, die Erfindung auch als Instrument für Computermusik zu verwenden. Der Klangkünstler Gerriet K. Sharma konzentrierte sich in seinem Dissertationsprojekt auf die Auslotung der künstlerischen Möglichkeiten des Lautsprechersystems. Von einem Punkt aus Klangobjekte im Raum kreisen zu lassen, ohne den Zuhörer mit Lautsprechern umzingeln zu müssen – das erschien prädestiniert für maßgeschneiderte Kompositionen. Kann man damit tatsächlich Gesten im Raum erzeugen? Hört man kreisförmig, wenn man den Schall kreisförmig wandern lässt? Das waren damals die Fragen, und bald sei auch klar gewesen, dass es funktioniere, so Zotter. Künftig soll es sogar Ausschreibungen für Komponisten geben, die Computermusik für das neuartige Instrument schreiben sollen.
Bei Wankhammer und seinen Gründerkollegen bei Sonible, die allesamt das interuniversitäre Elektrotechnik-Toningenieur-Studium an der Grazer TU und Kunst-Uni absolviert hatten, wurde vom Institut schließlich ein kompakter Verstärker in Auftrag gegeben, der alle Kanäle des Instruments ansprechen konnte. Das Unternehmen, das unter anderem vom Austria Wirtschaftsservice (AWS) gefördert wurde, verschob seinen Fokus immer mehr auf Hard- und Software für den 3-DAudiobereich. Schließlich wurde die Idee geboren, auch bei dem 3-D-Lautsprechersystem mit der Uni zu kooperieren und es zu einem Produkt zu entwickeln. Neben IKO und entsprechender Produktionssoftware arbeitet So- Neuartiges 3-DLautsprechersystem nible auch an neuer Hardware, die etwa das neue 3-D-SurroundSoundformat Dolby Atmos für IKO umwandelt. Mit der Zeit soll die komplexe Technologie, die Schallstrahlen gebündelt abstrahlt, so zugänglich gemacht werden, dass sie auch für Heimanwender praktikabel sind.
IEM-Leiter Robert Höldrich, der das Start-up als wissenschaftlicher Mentor im Science Park Graz begleitet hat, glaubt, dass IKO eine große Zukunft haben wird. Vor dem Hintergrund der starken Entwicklung in Richtung Raumklang in den vergangenen Jahrzehnten könne IKO jedenfalls seine Nische in einem gehobenen Segment finden – laut Wankhammer liegt der Preis einer ersten Generation bei 30.000 Euro. Dafür werde auch nicht nur Musik abgespielt, sondern „Klang wie eine Skulptur in den Raum projiziert“, so Höldrich. „Wenn ich es nicht gehört hätte, würde ich nicht glauben, was da möglich ist.“