Frächter in Schieflage
Brüssel will Lkws nicht leer durch Europa rollen lassen und nationale Schranken aufheben. Österreichs Transporteure warnen hingegen vor hohem finanziellem Schaden durch ausländische Konkurrenz und wachsendem Sozialdumping.
Wien – Bei leeren Kilometern sieht die EU-Kommission rot. Gut jeder fünfte Lastwagen rollt ihren Erhebungen zufolge auf dem Rückweg oder zwischen den Ladevorgängen leer durch Europa. Schuld daran sind aus ihrer Sicht die Beschränkungen für Transporte außerhalb des Heimatlandes. So dürfen ausländische Frächter in Österreich ihre Lkws innerhalb einer Woche nicht mehr als dreimal beund entladen, bevor sie wieder die Grenzen passieren. 50 Millionen Euro jährlich koste der rigide Zugang zu Inlandsmärkten die Wirtschaft, rechnete das EU-Parlament vor – Brüssel drängt daher auf Liberalisierung der sogenannten Kabotage: Transporteure sollen Aufträge außerhalb ihres eigenen Landes einfacher abwickeln können.
Was aus Sicht der EU-Kommission dazu dient, Ressourcen effi- zienter zu nutzen und die Auslastung der Lkws zu erhöhen, treibt vielen österreichischen Frächtern die Zornesröte ins Gesicht.
Mindestens jeder fünfte Transport innerhalb Österreichs erfolgt bereits durch ausländische Frächter, erhob Sebastian Kummer, Logistikexperte an der Wiener Wirtschaftsuni. Rund drei Prozent davon seien illegal. Unter dem Strich ersetzten internationale Anbieter 10.000 österreichische Fahrzeuge.
Durch entgangene Sozialversicherungsleistungen und Steuern erwachse der Volkswirtschaft daraus ein Schaden von 500 Millionen Euro jährlich. 14.000 Arbeitsplätze gingen verloren. Kummer wertete für die Studie im Auftrag der Wirtschaftskammer und Gewerkschaft 35 Millionen Einzelfahrten von mautpflichtigen Lkws mit mehr als 3,5 Tonnen aus.
Ausländische Frächter, die ihre Logistikdienste in Österreich anbieten, stammen zu 51 Prozent aus Ungarn, Tschechien, Polen und Rumänien, geht aus der Untersuchung hervor. Länder, die, wie Gewerkschafter warnen, massiv Sozialdumping betreiben. Kabotage werde systematisch eingesetzt, resümiert Kummer, das hohe Ausmaß habe auch ihn überrascht.
Die EU spiele die Probleme runter, klagt Alexander Klacska, Obmann der Transportsparte in der Kammer. „Wir wehren uns nicht gegen Liberalisierung, der Markt ist aber starkem Ungleichgewicht ausgesetzt.“Der Anteil der Leerfahrten sei mit wachsender Kabotage überdies gestiegen, glaubt er.
Karl Delfs, Bundessekretär der Vida, sieht für Lohndumping Tür und Tor geöffnet. Die Arbeitsbedingungen im Fernverkehr seien bereits jetzt dramatisch.
Klacska und Delfs fordern strengere Kontrollen, Strafen und einheitliche Rahmenbedingungen in der EU. Wie viel Kabotage über österreichische Frächter läuft, die ihre Lkws im Ausland anmelden, ließe sich nicht beziffern. (vk)