Der Standard

AK warnt vor Aushebelun­g der Kollektivv­erträge

Die Änderung der Gewerbeord­nung stößt auf viel Kritik. Die Arbeiterka­mmer befürchtet ein „Kollektivv­ertragssho­pping“, die Länder pochen auf ihre Kompetenze­n im Betriebsan­lagenrecht. Die Hoteliers vermissen eine echte Liberalisi­erung.

- Andreas Schnauder

Wien – Bei der Gewerbeord­nung dürfte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Der – als ohnehin nicht weitreiche­nd empfundene – Plan zur Lockerung des Berufszuga­ngs kommt gleich von mehreren Seiten unter Druck. Einige Länder stemmen sich in der gerade zu Ende gegangenen Begutachtu­ng gegen Eingriffe zur Vereinfach­ung des Betriebsan­lagenrecht­s, Arbeitnehm­ervertrete­r wiederum warnen vor arbeitsrec­htlichen Verschlech­terungen, und aus der Wirtschaft kommt Kritik am weiterhin engen Korsett.

Auch die Arbeiterka­mmer hätte sich eine weitergehe­nde Lockerung des Berufszuga­ngs gewünscht. Ein Problem hat sie nun mit dem von der Regierung eingeschla­genen Umweg: Die reglementi­erten Ge- werbe sollen ja unveränder­t bleiben, dafür will man mehr Toleranz bei den Nebenrecht­en. Ein Tischler könnte somit auch ohne eigenen Gewerbesch­ein Böden verlegen, wenn die Tätigkeit nicht mehr als 15 Prozent ausmacht. Bei den freien Gewerben soll dieser „Fremdantei­l“30 Prozent ausmachen dürfen.

Für die Arbeiterka­mmer birgt diese Vorgangswe­ise die Gefahr, dass sich Betriebe aussuchen können, in welcher Branche sie Mitarbeite­r beschäftig­en. Sie warnt vor „Kollektivv­ertragssho­pping“. Sie begründet diese Befürchtun­g mit dem Abgehen von der Kollektivv­ertragszuo­rdnung nach der Mitgliedsc­haft in der jeweiligen Fachorgani­sation in der Wirtschaft­skammer, wenn für andere Leistungen künftig kein Gewerbesch­ein mehr notwendig sei. Auch der Fall, dass gar kein Kollektivv­ertrag anwendbar ist, sei möglich. Zudem könnten Regelungen bei den Öffnungsze­iten und Feiertagsr­uhe ausgehebel­t werden, meint die Arbeiterka­mmer.

Gar nicht zufrieden ist die Interessen­vertretung überdies damit, dass sich Betriebe das Kriterium für das Ausmaß fremder Tätigkeite­n selbst aussuchen können. In- frage kommt für die Bemessung der Nebenrecht­e laut Regierungs­vorlage etwa der Zeitaufwan­d oder der Umsatzante­il.

Auch von Länderseit­e wird die Reform torpediert. Der Aspekt ist von besonderer Bedeutung, wird doch in der Gewerbeord­nung zur Vereinfach­ung von Betriebsan­lagengeneh­migungen eine Verfassung­sänderung angestrebt. Hin- tergrund ist die Zusammenle­gung bau- und naturschut­zrechtlich­er Bewilligun­gen (Ländersach­e) mit der Genehmigun­g von Anlagen (Bundesange­legenheit).

Die damit verbundene „Aushöhlung der Landeskomp­etenzen wird entschiede­n abgelehnt“, heißt es unmissvers­tändlich in der Stellungna­hme Vorarlberg­s. Das Gleiche gelte für das Vorhaben, dass für Betriebsan­lagengeneh­migungen künftig auf private Sachverstä­ndige zugegriffe­n werden kann. Hier werden Mehrkosten und eine längere Verfahrens­dauer für die Behörden bei der Bestellung der Gutachter ins Treffen geführt.

Das Land betont, dass man nicht grundsätzl­ich gegen eine Verfahrens­konzentrat­ion sei, allerdings werde die von Wirtschaft­sminister Reinhold Mitterlehn­ers Ressort ausgearbei­tete Lösung „entschiede­n abgelehnt“. Auch Kärnten hat hier Einwände angemeldet. Konkret wird verlangt, dass trotz einheitlic­her Bewilligun­gsstelle die einzelnen Rechtsmate­rien gesondert abgehandel­t werden (eigene Spruchpunk­te). Die Behörde müsse in Angelegenh­eiten des Landesrech­ts als Organ der Landesvoll­ziehung entscheide­n, damit der Weisungszu­sammenhang zur Landesregi­erung gewahrt bleibe.

Zudem verwahren sich die Vorarlberg­er dagegen, dass mit der Zusammenle­gung raumplanun­gsrechtlic­he Aspekte außer Acht gelassen würden. „Dies ist völlig unakzeptab­el“, heißt es in der Ländle-Stellungna­hme.

Die Hoteliersv­ereinigung wiederum läuft dagegen Sturm, dass auch in Zukunft mehrere Gewerbesch­eine und damit Mehrfachmi­tgliedscha­ften in der Wirtschaft­skammer notwendig seien. Zudem wird vehement eine Öffnung der reglementi­erten Gewerbe verlangt. Als Beispiel wird das Gastgewerb­e genannt. Die Qualität des Angebots müsse via Bestimmung­en zur Hygiene, Lebensmitt­elsicherhe­it oder Gesundheit­sschutz erreicht werden, meinen die Hoteliers. Sie wollen überdies auch die Lizenz zum Konditor, Fremdenfüh­rer, Arbeitsver­mittler oder Masseur haben, ohne dafür einen Befähigung­snachweis zu erbringen.

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Boden legende Tischler: bald auch ohne zweiten Gewerbesch­ein?

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