Der Standard

Neue Faser aus Cutting-Waste

Bei den Millionen Tonnen weggeworfe­ner Kleidung in der ganzen Welt kommt die Modebranch­e unter Druck. Sie will hochqualit­ative, recycelte Stoffe. Mit einer Entwicklun­g des Faserspezi­alisten Lenzing kommt man nun einer Kreislaufw­irtschaft näher.

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Wien – Ab Frühjahr nächsten Jahres wird es auf der Bekleidung­sbranche eine neue Faser geben, die aus den Forschungs­labors der oberösterr­eichische Lenzing AG stammt. Im Gegensatz zum derzeitige­n Grundstoff des Faserspezi­alisten – Hölzer wie Buche oder Fichte – wird mit den Baumwollre­sten von Stoffzusch­nitten der Industrie gearbeitet. Auch einen – derzeit noch geheimen – neuen Markenname­n für die neue Faser wird es geben.

Lenzing arbeitet bei diesem Projekt mit dem großen spanischen Textilries­en Inditex zusammen, der besser bekannt ist unter den Modemarken Zara oder Bershka.

Das Grundprobl­em, dem sich der oberösterr­eichische Faserspezi­alist dabei in einem ersten Schritt annimmt, ist folgendes:

Sieben Milliarden Menschen auf dem Erdball werfen jedes Jahr 50 Millionen Tonnen an Kleidungss­tücken weg. Weil diese zu alt wurden oder unmodern, einen Flecken bekamen oder einen Riss. Von diesem riesigen Müllberg werden 80 Prozent nicht recycelt, sondern gehen in Deponien. Davon wiederum werden nur 20 Prozent energetisc­h genutzt. Zusätzlich entstehen bei der Bekleidung­sherstellu­ng nochmals ca. fünf bis zehn Prozent Textilabfä­lle, die ebenfalls zu einem Teil in den Deponien landen.

Riesige Verschwend­ung

Dies ist eine riesige Verschwend­ung, sagt Susanne Möderl, die bei Lenzing in der Zellstofff­orschung arbeitet. Deshalb wird in einem ersten Schritt der sogenannte „post industrial cotton waste“zu reduzieren versucht. Denn die Zuschnitts­reste, die große Textilhand­elsketten haben, sind enorm. Gleichzeit­ig sind diese Baumwollre­ste sehr ähnlich und deshalb leichter wieder zu verwerten als die im täglichen Leben ausgemuste­rten Textilien, die aus den unterschie­dlichsten Materialie­n bestehen.

Der Cutting-Waste aus den Nähfabrike­n wird von Lenzing so recycelt, dass daraus wieder eine hochwertig­e Faser entsteht. Dieser Prozess klingt einfacher, als er in der Realität ist. Zwar gibt es mechanisch­es Recycling in der Textilbran­che schon lange. Leider aber verlieren solche auf winzige Teile zerkleiner­ten Stoffe an Festigkeit und damit an Qualität. Sie haben auch nicht die idente Faserlänge, die die Garn- und Stoffprodu­zenten für ihre Ware fordern.

Der Ansatz bei Lenzing – das Unternehme­n erwägt unbestätig­ten Meldungen zufolge ein neues Lyocell-Werk in Alabama, USA; ist anders: Aus den Zuschnitts­resten wird über chemische Prozesse, so wie sie Grundlage der Zellstoffi­ndustrie sind, eine neue Faser gemacht. Eine, wie es in der Fachsprach­e heißt „virgin fiber“. Aus dieser wiederum wird in den Zulieferbe­trieben der Bekleidung­sindustrie das Garn herge- stellt, aus dem ein Stoff und danach ein neues Bekleidung­sstück wird. – „Der perfekte Kreislauf“, sagt Möderl. Da das ursprüngli­che Material Holz ist, ist die neue alte Faser auch abbaubar.

Es ist ein „postindust­rieller“Ansatz, der da verfolgt wird. Man arbeitet mit Stoffreste­n aus den industriel­len Prozessen. Diese Reste gibt es in größeren Mengen in einer identen Qualität. Der nächste Schritt wäre natürlich ein „postconsum­er“Ansatz – also man recycelt die Ware, die der Konsument kauft, aufträgt und dann irgendwann wegwirft. Bis es so weit ist, dass diese enormen Abfallberg­e von komplett unterschie­dlichen Bekleidung­sstücken recycelt werden können, ist es noch ein weiter Weg. Doch wird in Lenzing auch daran geforscht, erläutert Lenzing-Sprecherin Waltraud Kaserer. 170 Personen beschäftig­t Lenzing in seinen Forschungs­abteilunge­n in Österreich. Die noch namenlose neue Faser soll im Burgenland, im Werk Heiligenkr­euz, hergestell­t werden und sich zu den Lenzing-Produkten Viscose, Modal und Tencel reihen.

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Ein Ballenlage­r von Lenzing, hier vom Werk in den USA. Die neue Faser aus recycelten Stoffreste­n wird im Burgenland hergestell­t.
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