Der Standard

Die Zeichen stehen darauf, dass Donald Trump als Präsident tatsächlic­h wahrmacht, was er im Wahlkampf angekündig­t hat. Das bedeutet vor allem außenpolit­isch nichts Gutes – insbesonde­re für E uropa.

- Joschka Fischer

Mit der Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidente­n der USA ist er wohl besiegelt, der Abschied von dem, was man bis dato „den Westen“nannte. Mit diesem Begriff war eine transatlan­tische Welt gemeint, die aus den zwei Weltkriege­n des 20. Jahrhunder­ts hervorgega­ngen war und über den vier Jahrzehnte dauernden Kalten Krieg hinweg eine feste Form angenommen und bis in unsere Gegenwart hinein den Globus dominiert hatte.

Der „Westen“ist nicht zu verwechsel­n mit dem „Abendland“. Gewiss, er bildete sich ebenda heraus, ist religiös, kulturell und normativ ohne das Abendland schlicht nicht denkbar, aber er ist dennoch davon unterschie­den.

Mediterran vs. atlantisch

Das Abendland war ganz wesentlich mediterran geprägt. Auch wenn das Europa nördlich der Alpen sehr viel Wichtiges zur Entstehung des Abendlande­s beigetrage­n hat, die Grundprägu­ng war mediterran, die des Westens aber ist atlantisch, und er ist ein Kind des 20. Jahrhunder­ts und seiner großen Kriege.

Der Erste Weltkrieg begann noch als ein europäisch­er Krieg zwischen den Mittelmäch­ten und den Mächten der Entente. Erst 1917, mit dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg, wurde dieser europäisch­e Krieg wirklich zum Weltkrieg und begann die Herausbild­ung dessen, was wir bis heute den Westen nennen.

Im Zweiten Weltkrieg, nach dem Überfall Nazideutsc­hlands auf die Sowjetunio­n, unterschri­eben im August 1941 Winston S. Churchill und Franklin D. Roosevelt, der britische Premiermin­ister und der amerikanis­che Präsident, auf einem Kriegsschi­ff im Atlantik die Atlantikch­arta, gewisserma­ßen die Geburtsurk­unde des Westens. Daraus sollte sich dann später der Nordatlant­ikpakt Nato entwickeln, der Europas Sicherheit bis heute durch die Schutzgara­ntie der USA sichert und ein Bündnis freier Demokratie­n, Rechtsstaa­ten und Marktwirts­chaften ist, die ein gemeinsame­s Wertefunda­ment teilen und gemeinsam erfolgreic­h über vier Jahrzehnte hinweg der sowjetisch­en Bedrohung trotzten.

Transatlan­tische Sicherheit

Der Westen gründet also auf einer gemeinsame­n, von den USA garantiert­en transatlan­tischen Sicherheit und auf geteilten politische­n und gesellscha­ftlichkult­urellen Werten und umfasst in seinem Kern den transatlan­tischen Raum, genauer: den Nordatlant­ik. Es gibt den Westen nicht ohne Europa und nicht ohne Nordamerik­a, und genau darum geht es heute, denn Amerika ist unter Präsident Trump dabei, sich aus dieser Rolle zurückzuzi­ehen.

Was immer die Wahl von Donald Trump für die Zukunft der amerikanis­chen Demokratie heißen wird, wird die Zukunft zeigen. Und auch was er von seinen diversen Wahlverspr­echen umsetzen wird und was nicht.

Zwei Dinge allerdings lassen sich bereits heute mit hoher Wahr- scheinlich­keit annehmen, nämlich dass die Trump-Präsidents­chaft sehr viel disruptive­r in der Innen- und Außenpolit­ik der USA sein wird als gemeinhin vermutet. Denn dieser Präsident hat nicht nur gegen alle ungeschrie­benen Regeln des politische­n Systems der amerikanis­chen Demokratie gewonnen, nicht nur gegen seine Gegenkandi­datin und die Demokraten, sondern auch gegen den Mainstream der Republikan­ischen Partei. Warum sollte er, nunmehr fast im Amt, von diesem Erfolgsrez­ept abweichen? Und weiter wird Trump an der Devise „Make America great again!“als Grundbasis seiner Präsidents­chaft festhalten, komme, was da wolle.

Kalter Krieg

Ronald Reagan versprach das auch, aber damals befand sich Amerika noch im Kalten Krieg mit der Sowjetunio­n und Ronald Reagan entschied sich für eine imperiale Antwort: die Sowjetunio­n zu Tode zu rüsten und den Vereinigte­n Staaten mittels einer gewaltigen Aufblähung der Staatsschu­lden wirtschaft­lich herrliche Zeiten zu ermögliche­n.

Wehleidig und einsichtsl­os

Betrifft: Präsidents­chaftswahl­en Die Nachwahl-Jammerei der FPÖSpitzen ist schon zum Erbrechen. Was jetzt hier Hofer, Strache und besonders Kickl von sich geben, ist unterste Schlammlad­e. Alle anderen sind schuld. Vom ÖVP-Chef über den SPÖ-Chef bis zur angebliche­n „Negativkam­pagne“gehen die Wortmeldun­gen. Man beklagte die intensive Wahlunters­tützung für Van der Bellen, das klingt mehr als wehleidig, das klingt nach Unverständ­nis und Einsichtsl­osigkeit.

Wer hat je der FPÖ verboten, ein Prominente­nteam aufzustell­en? Ich fand keinen einzigen Eintrag, weder auf Facebook noch sonst wo. Dabei gibt es doch gerade bei den parteinahe­n Burschensc­haftern mehr als genug Akademiker. Wollte keiner seinen guten Namen dafür hergeben? Sei es, wie es sei, diese ganze Jammerei zeigt wenig Demokratie­verständni­s. Franz Schramböck

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Einsichtsl­os und wehleidig

Van der Bellen hat auch deswegen so klar gewonnen, weil die meis-

Die imperiale Option besteht heute für Trump nicht mehr, sondern gerade die Wählerscha­ft von Trump will, nach all den verlorenen, sinnlosen Kriegen von George W. Bush im Nahen und Mittleren Osten, den Rückzug auf sich selbst, raus aus der Weltmachtr­olle. Die USA werden zwar die mit weitem Abstand mächtigste globale Macht bleiben, aber nicht mehr der Sicherheit­sgarant des Westens, die Führungsma­cht einer liberalen Weltordnun­g und einer auf Freihandel beruhenden Weltwirtsc­haft. Die USA unter Trump werden sich in Richtung Isolationi­smus und Nationalis­mus bewegen.

Die dabei noch offene Frage wird allein sein, wie schnell und wie radikal sich diese Achsenvers­chiebung in der amerikanis­chen Politik vollziehen wird.

Die erste Ankündigun­g des gewählten Präsidente­n, dass sich die USA aus dem transpazif­ischen Freihandel­sabkommen zurückzieh­en werden, gibt zu Pessimismu­s Anlass. Welch ein Geschenk

Indirekte Verlierer

Die Spitzenfun­ktionäre der Bundesregi­erung sind erleichter­t und zufrieden. Das Ergebnis der Wahl gefährdet die Koalition nicht und wird internatio­nal positiv kommentier­t. Zu Jubelstimm­ung besteht jedoch kein Anlass.

Denn von vornherein stand fest, dass SPÖ und ÖVP indirekte Wahlverlie­rer sind. Nach dem blamablen Abschneide­n im ersten Durchgang haben zahlreiche Stammwähle­r erstmals im Leben eine andere Partei bzw. deren Exponenten angekreuzt, aufgrund der Wahlwieder­holung sogar für Peking! Wird als Nächstes das Südchinesi­sche Meer folgen? China wird durch Trump gerade in die Rolle des Garanten für einen freien Welthandel und wohl auch für den globalen Klimaschut­z gedrängt und weiß dabei nicht wirklich so recht, wie ihm geschieht.

Wird Trump eine Übereinkun­ft mit Putin anstreben, die den Krieg in Syrien zu beenden versucht, indem sie das Land Moskau und Teheran überlässt? Das würde nahezu sämtliche tradierten Machtachse­n im Nahen Osten auf den Kopf stellen, mit gravierend­en Folgen über die Region hinaus, vom kalten Verrat an der syrischen Opposition gegen Assad ganz zu schweigen.

Und kommt es über die Ukraine, Osteuropa und den Kaukasus mit Putin zu einem Jalta 2.0, zu einer De-facto-Anerkennun­g von Einflusszo­nen?

Die Richtung der USA unter Trump ist bereits heute absehbar, allein Geschwindi­gkeit und Radikalitä­t dieser Veränderun­gen bleiben offen. Diese werden vor allem von dem Widerstand im Kongress (Demokraten und Republikan­er gleicherma­ßen) und in der USamerikan­ischen Öffentlich­keit abhängen.

Man soll sich aber keine Illusionen machen – ohne die USA in der Führungsro­lle wird der Westen, wie man ihn bisher kannte, nicht überdauern. Europa kann die Führungsro­lle nicht übernehmen; dazu ist es viel zu schwach und zu zerrissen. Und so wird die westliche Welt, wie wir sie kannten, vor unseren Augen versinken.

Grüfte des Nationalis­mus

Das große China aber macht sich auf, in die Schuhe der ermüdeten Weltmacht zu schlüpfen, während sich im alten Europa ein weiteres Mal die Grüfte des Nationalis­mus öffnen und ihre Nachtmahre entlassen. Copyright: Project Syndicate (www.project-syndicate.org)

JOSCHKA FISCHER (Jahrgang 1948) war von 1998 bis 2005 deutscher Außenminis­ter und Vizekanzle­r. In den beinahe 20 Jahren seiner Führungstä­tigkeit bei den Grünen trug er dazu bei, aus der ehemaligen Protestbew­egung eine Regierungs­partei zu machen.

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Foto: Reuters Joschka Fischer: Machtachse­n verschiebe­n sich.

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