Merkel allein schafft es nicht mehr
Die CDU muss die nachlassende Strahlkraft der Kanzlerin mit Inhalt kompensieren
Vielleicht war es einfach vordergründig nur ein geschickter Schachzug. Barack Obama ist bald weg, Matteo Renzi auch, François Hollande ebenso. Weltweit verliert die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Mitstreiter. Da kann es nicht schaden, sich am CDU-Parteitag recht eindeutig als jener Fels anzupreisen, der nicht wankt, sondern fest und weiterhin in der deutschen Landschaft stehen will.
„Sie kennen mich“, hat Merkel schon im Bundestagswahlkampf 2013 gesagt, und für die einen klang es wie eine Verheißung, für die anderen wie eine Drohung. Nun, in Essen beim Großtreffen der CDU, hat sie nichts anderes getan, ihre Rede bot nichts Neues. Familienpolitik, Sicherheit, Asylpolitik, alle wichtigen Themen streifte sie, alles wurde brav abgearbeitet.
Verbunden mit dem Hinweis, dass Deutschland wirtschaftlich gut dastehe, dass die Zahl der Arbeitslosen seit 2005 von fünf auf 2,5 Millionen halbiert wurde (was natürlich nicht Merkels alleiniger Erfolg ist), mag das jenen Effekt bringen, auf den Merkel abzielt: Beruhigung, nach dem Motto „Bei mir seid ihr gut aufgehoben“.
Andererseits betonte auch Merkel, was viele Menschen empfinden: Die Welt ist aus den Fugen geraten. Und wenn Merkel tatsächlich die Bundestagswahl 2017 gewinnt und noch einmal, zum vierten Mal, ins Berliner Kanzleramt einzieht, dann könnte sie dort bis zum Jahr 2021 sitzen. an weiß, dass Merkel nicht die Politikerin der großen Visionen ist. Aber angesichts der unruhigen Zeiten würde man schon gern Näheres erfahren. Was treibt sie dorthin, außer ihrem Mantra, dass sie Deutschland dienen wolle. Wie plant sie das Land weiterzubringen – zumal sie ja selbst erklärt, dass die Zeiten nicht einfacher werden.
Leidenschaftlich war Merkel hingegen an jener Stelle, an der sie ihre Partei um Unterstützung bat. „Ihr müsst mir helfen!“, sagte sie, und es klang ein wenig flehentlich. Jeder im Saal wusste, dass dieser Appell nicht nur dazu diente, ein möglichst gutes Ergebnis bei der Wiederwahl zu bekommen, sondern ein Hilferuf für das Wahlkampfjahr 2017 war.
In den vergangenen Jahren hatten es die CDU-Wahlkämpfer nicht schwer. Sie konnten an ihren Wahlständen kommod gen Berlin auf die beliebte
Mund populäre Kanzlerin zeigen. Doch dieser langjährige Wahlkampfhit taugt jetzt nicht mehr allein für einen Erfolg. Im nächsten Jahr wird es ungleich ungemütlicher werden.
Anfechtungen von rechts und von links hat Merkel selbst vorausgesagt. Schließlich will die Alternative für Deutschland (AfD) nach einer Serie von Wahlerfolgen in den Ländern auch in den Bundestag einziehen. Dass ihr Wahlkampf kein weichgespülter sein wird, ist abzusehen. Auf der anderen Seite gibt es viele in Berlin, die Rot-RotGrün längst noch nicht abgeschrieben haben und entsprechend dafür kämp- fen werden – wenn denn endlich mal klar ist, wer überhaupt Kanzlerkandidat der SPD wird.
So manchem in der CDU mag davor grausen, aber ein solcher Anti-Wellness-Wahlkampf hat sein Gutes. Er zwingt die Parteien, allen voran die CDU, die ja ihre Position verteidigen will, zur inhaltlichen Festlegung. Anstatt sich auf die ohnehin gedämpfte Strahlkraft ihrer Kanzlerin zu verlassen, muss sie Farbe bekennen. Das gilt natürlich für Merkel ebenso. Ich bin schon lange da, und es geht euch gut – diese Botschaft wird im Bundestagswahlkampf 2017 nicht mehr reichen.