Mazedonien: Wahl bestimmt über Recht und Demokratie
Die nationalkonservative Regierungspartei liegt in Umfragen vorn – Reformen der EU stehen auf der Kippe
Die Betonwände werden zurzeit mit kitschigen Fassaden verdeckt. Die „Behübschung“und „Verkleidung“weist darauf hin, dass es vieles gibt, was hier versteckt werden soll. In den vergangenen Jahren haben Regierende und ihre Freunde Ämter missbraucht, die Öffentlichkeit manipuliert und Justiz und Bürokratie durch Parteiinteressen gesteuert.
Am Sonntag findet in Mazedonien eine Richtungswahl statt. Gewinnt die nationalkonservative VMRO-DPMNE wieder, könnten alle Bemühungen der EU und der USA, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu fordern, zunichtegemacht werden. Der Analytiker Sašo Ordanoski meint: „Dann werden viele Leute aufgeben und auswandern. Zehntausende haben bereits das Land verlassen.“
Europäische Diplomaten erklären, dass die „Wahlen weit davon entfernt sind, perfekt zu sein“. Die Versuche der EU und der USA, eine fairere Berichterstattung und weniger Einfluss auf die Wähler zu garantieren, hätten zwar Früchte getragen, allerdings seien „die Auswirkungen nicht grundlegend“. Zumindest gibt das Staatsfernsehen nun auch der Opposition Raum. Medien dürfen keine Werbung mehr für die Regierung machen. „Das hat die Propaganda beruhigt“, meint Voislav Stojanovski vom Helsinki Komitee.
Nun haben aber Internetportale – die nicht unter die neuen Rege- lungen fallen – die „Parteiarbeit“übernommen. Kürzlich wurden etwa die Fotos von zwölf Polizisten einer Sondereinheit veröffentlicht, die angeblich zur Opposition gehören. Die Beamten sind dadurch in Gefahr geraten. Das sollte wohl ein „Warnsignal“sein.
Moskau schickt Beobachter
Am Sonntag soll eine Wahlmission Manipulationen verhindern. Insgesamt sind 320 Beobachter aus OSZE-Staaten vor Ort. Interessant ist, dass Russland gleich 45 Personen entsendet, das ist die höchstmögliche Zahl und äußerst ungewöhnlich. Moskau zeigt seit längerer Zeit Interesse auf dem Balkan. In Mazedonien geht es bei der Wahl deshalb auch darum, ob man sich eher am Westen oder eben an Russland orientieren will.
Den Umfragen zufolge konnte die sozialdemokratische Opposi- tion (SDSM) unter Zoran Zaev aufholen – sie liegt nur mehr ein paar Prozentpunkte hinter der VMRO.
Allerdings wird Letztere wohl gewinnen und könnte neuerlich mit der albanischen Partei DUI eine Koalition bilden. Etwa 25 Prozent der Bevölkerung sind Albaner – daher fällt den albanischen Parteien oft die Rolle der „Königsmacher“zu. Auch die DUI war in den vergangenen Jahren Teil des korrupten Systems, gemeinsam mit der VMRO. Unter Albanern ist sie deshalb nun weniger beliebt.
Wenn die VMRO und die DUI an der Macht bleiben, werden sie versuchen die Arbeit der Sonderstaatsanwaltschaft zu untergraben. Diese wurde auf Druck der EU eingesetzt, um die korrupten Machenschaften und den Amtsmissbrauch der Regierung und des Geheimdienstes aufzuklären, die durch die Veröffentlichung von abgehörten Telefonaten zutage kamen. Allerdings haben die Staatsanwälte nur bis Mitte nächsten Jahres Zeit, Anklagen zu erheben. Die VMRO und die DUI sind gegen eine Verlängerung der Frist.
Der 41-jährige Rechtsanwalt Bojan S., der gerade zur Arbeit eilt, findet, dass die Geheimdienste reformiert werden müssten. „Es gab einen nahtlosen Übergang zwischen der jugoslawischen UDBA und dem jetzigen Geheimdienst“, sagt er. Er glaubt nicht, dass ohne Reform ein Machtwechsel möglich ist. Fraglich ist auch, ob die Gerichte die Anklagen überhaupt verhandeln werden – die Justiz gilt als abhängig von der Politik.
Notwendige Justizreform
Stojanovski vom Helsinki Komitee plädiert deshalb für eine Justizreform. Entscheidungen von Richtern und Staatsanwälten der letzten drei Jahre sollten durch eine Kommission evaluiert, die Verbindungen zur organisierten Kriminalität untersucht und die Konten der Richter und ihrer Angehörigen überprüft werden.
Die entscheidende Frage bleibt, ob die EU weiter Druck ausüben wird, um das zu ermöglichen. Mit der Unterstützung der USA unter Präsident Donald Trump ist kaum zu rechnen. Der 36-jährige Manager Dane V., der den Platz mit der Statue von Alexander dem Großen überquert, hofft, dass die SDSM gewinnt. „Bleibt die VMRO an der Macht, kann die Sonderstaatsanwaltschaft sicher nicht arbeiten.“