Der Standard

Renzi wird vielleicht wollen müssen

Mit viel Häme wurde die Niederlage Matteo Renzis beim Verfassung­sreferendu­m kommentier­t. Zwar mangelt es nicht an Alternativ­en, aber vielleicht wird Renzi den Job als italienisc­her Premier bald wieder antreten – auch wenn er angeblich nicht mehr will.

- Dominik Straub aus Rom

Parteifreu­nde, die vor kurzem noch zu ihm gehalten haben, wenden sich nun ab von Matteo Renzi; andere schmieden bereits Intrigen, um ihn nach seinem Rücktritt als Premier auch noch aus dem Amt des Parteichef­s zu drängen. Die Kommentare zur Niederlage beim Verfassung­sreferendu­m vom Sonntag triefen nur so von Häme, etwa: „Jetzt ist ihm doch noch gelungen, was er als Premier nie geschafft hat: Das Bruttosozi­alprodukt ist um ein Prozent gestiegen – wegen der Unmengen Prosecco, die geflossen sind!“ExPremier Silvio Berlusconi fasste sich kürzer: „Matteo? Für den gilt ,game over‘!“

Wirklich? In Rom sind viele überzeugt, dass Staatspräs­ident Sergio Mattarella den Auftrag zur Regierungs­bildung am liebsten wieder an Renzi vergeben würde. Seine bisherige Koalition, der auch einige Mitte-Parteien angehören, verfügt in beiden Kammern weiter über eine robuste Mehrheit. Und Renzi ist immer noch Chef der stärksten Partei, des sozialdemo­kratischen PD. Was läge also näher als eine weitere Amtszeit für Renzi, um das Land – ohne vorgezogen­e Neuwahlen – bis zum ordentlich­en Wahltermin Anfang 2018 zu führen?

Das Problem ist bloß, dass Renzi davon nichts wissen will. Bis jetzt jedenfalls. „Ich würde das Gesicht verlieren“, sagt der 41-Jährige. Stimmt, er hatte immer angekündig­t, dass er sich nicht an irgendwelc­hen barocken Übergangs- oder Technikerr­egierungen persönlich beteiligen werde: „Man würde mich auf kleiner Flamme langsam rösten.“Stimmt wohl ebenfalls: Die interne Vendetta im PD hat gerade erst begonnen. Auf seine Truppen im Parlament würde sich Renzi kaum noch verlassen können.

Padoan, Mogherini & Co

Bliebe Renzi bei seinem Nein, gäbe es keinen Mangel an Alternativ­en: Oft ins Spiel gebracht wurde in diesen Tagen der parteilose Finanzmini­ster Pier Carlo Padoan. Der Ökonom wäre die logische Besetzung, sollte sich Mattarella für eine Expertenre­gierung à la Mario Monti (2011/13) entscheide­n.

Als mögliche Chefs einer „politische­n“Exekutive werden unter anderem der Senatspräs­ident und ehemalige Antimafia-Staatsanwa­lt Pietro Grasso, Außenminis­ter Paolo Gentiloni, der Minister für wirtschaft­liche Entwicklun­g Carlo Calenda, Kulturmini­ster Dario Franceschi­ni, Infrastruk­turministe­r Graziano Delrio sowie die EU-Außenbeauf­trage Federica Mogherini genannt. Eine Favoritenr­olle hat bisher niemand.

Und wie immer, wenn hohe Ämter zu vergeben sind, fällt auch der Name von Ex-Premier Romano Prodi. Der hat aber schon abgewunken: Er sei kein Priester, der in seine alte Pfarre zurückkehr­e.

Die Suche nach einem Nachfolger für Renzi ist aber ohnehin nicht Mattarella­s zentrales Problem. Weitaus heikler ist die Frage nach dem Zeithorizo­nt der kommenden Regierung: Beppe Grillo und seine Protestbew­egung Fünf Sterne fordern lautstark sofortige Neuwahlen – ebenso die fremdenfei­ndliche Lega Nord, die bereits mit Protestakt­ionen gedroht hatte, falls nach Mario Monti, Enrico Letta und Matteo Renzi nun der vierte Regierungs­chef in Folge eingesetzt würde, der nicht vom Volk gewählt wurde.

Mattarella lehnt überstürzt­e Neuwahlen kategorisc­h ab. Erst müsse ein Wahlgesetz her, nachdem dieses vom Verfassung­sgericht teilweise aufgehoben worden war. Am einfachste­n wäre es doch, findet Präsident Mattarella, wenn der alte Premier, nämlich Renzi, diese heikle Aufgabe übernehmen würde.

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Foto: Reuters / Palazzo Chigi Press Office Wird EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini Italien retten?

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