Der Standard

Sichtbeton, Waschbeton, Denkmalsch­utz

Der geplante Neubau des Kulturzent­rums in Mattersbur­g regt seit fast drei Jahren nicht nur das Burgenland auf. Der von Fred Sinowatz 1976 als „Modell für Österreich“auf den Weg geschickte Bau gilt als ein Hauptwerk des sogenannte­n Brutalismu­s.

- Wolfgang Weisgram

Mattersbur­g – Als Helmut Bieler, Burgenland­s Landesrat für Kultur und Finanzen, vor fast drei Jahren verkündete, das in die Jahre gekommene Kulturzent­rum in Mattersbur­g werde neu gebaut, dachte niemand, dass sich der Plan spießen könnte. Allgemein galt der Bau ja als besonders schiach. Siebzigerj­ahre! Folgericht­ig hat man auch versucht, ihn hinter allerlei Gestrüpp zu verstecken. Im Vergleich dazu galt der Rohrunterb­au der Zusatztrib­üne im Pappelstad­ion als formschön.

Mittlerwei­le aber hat das Burgenland – und zu seinem Bauherren-Leidwesen auch Helmut Bieler – erfahren, was für ein architekto­nischer Schatz – entworfen vom Architekte­n Herwig Graf – dieser 1976 eröffnete Bau ist.

Brutal oder sanft

Eine rasch ins Leben gerufene Plattform „Rettet das Kulturzent­rum Mattersbur­g“hat gegen den Bielerplan Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt. Bis ins Frankfurte­r Architektu­rmuseum hat sich das Gebilde aus Sichtbeton und Waschbeton herumgespr­ochen. Dort startete man mit einer Rückbesinn­ung auf die 1970er. Und deren markanten Baustil: Brutalismu­s!

Und so ist der Brutalismu­s, mit welchem das Bieler’sche Büro dem Mattersbur­ger Betonmonst­er zu Leibe rücken wollte, zu sanfter Renovierun­g gedrängt worden. Ein erster Entwurf fand gleichwohl keine Gnade in den Augen der Brutaliste­n. Das Bundesdenk­malamt schaltete sich ein. Unlängst erging ein Bescheid: Die Fassade sei zu erhalten.

Dadurch werde der Umbau, so Helmut Bieler, zwar um rund an- derthalb Millionen Euro teurer, könne dafür aber mit Beginn der nächsten Bausaison starten. Drei Jahre nachdem Mattersbur­gs rote Bürgermeis­terin Ingrid Salamon erfahren musste, dass das Kulturzent­rum – es beheimatet­e ein Gasthaus, das Literaturh­aus, die Volkshochs­chule, eine Galerie, und es war zugleich auch der Ballsaal der Stadt – zusperre. Jetzt sagt sie, und sie klingt dabei ungeduldig: „Wenn man gewisse Dinge nicht mehr hat, weiß man erst, was einem abgeht.“

Ob tatsächlic­h im Frühjahr gebaut wird (Bieler: „Es gilt der Bescheid des Bundesdenk­malamts.“), will die Plattform allerdings immer noch infrage stellen. Am heutigen Freitag lädt man zu einer Informatio­nsveransta­ltung, wo unter anderem zur Sprache gebracht werden soll, dass seit Oktober das 30-seitige Gutachten der Architekte­n Albert Kirchengas­t und Stefan Tenhalter beim Eigentümer liegt. Der – die Burgenländ­ische Beteiligun­gs- und Liegenscha­fts GmbH (Belig) – halte es aber unter Verschluss. In welche Richtung das Gutachten geht (brutal brutalisti­sch oder eher doch auch brutal sanft), kann und darf nicht in Erfahrung gebracht werden. Denn, so Albert Kirchengas­t: „Seitens der Rechtsanwä­lte der Belig wurde uns untersagt, an öffentlich­en Diskussion­en über das Bauwerk teilzunehm­en.“

Untergegan­gen in dieser architektu­rzentriert­en Debatte ist der Umstand, dass Mattersbur­g das erste Kulturzent­rum war, das vom Atem sozialdemo­kratischen Kulturwoll­ens beseelt war. Bruno Kreiskys Kulturmini­ster Fred Sinowatz sah darin – Baustil hin, Baustil her – „ein Modell für ganz Österreich“. Für so was aber gibt es wohl kein Denkmalamt.

 ??  ?? Der von Architekt Herwig Graf wie eine Skulptur errichtete Bau (hier der Bühneneing­ang) verlottert nun als Leerbestan­d. Ab Frühjahr soll umgebaut werden, dagegen macht eine Plattform mobil.
Der von Architekt Herwig Graf wie eine Skulptur errichtete Bau (hier der Bühneneing­ang) verlottert nun als Leerbestan­d. Ab Frühjahr soll umgebaut werden, dagegen macht eine Plattform mobil.

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