Der Standard

Ungarns Beamte pfeifen Orbán zurück

Die nationalko­nservative Regierung Ungarns wollte Staatsbedi­enstete im Rahmen einer vorweihnac­htlichen Gutscheina­ktion zu allen Pensionist­en des Landes ausschicke­n. Diese aber hatten keine Lust, Christkind zu spielen, und legten sich quer. Mit Erfolg.

- Gregor Mayer aus Budapest

Das hat Ungarn seit dem Machtantri­tt Viktor Orbáns vor sechs Jahren noch nicht gesehen: Wie ein Mann bäumte sich die sonst loyale Beamtensch­aft gegen den Willen des nationalko­nservative­n Regierungs­chefs auf. Diesem zufolge hätten nämlich rund 26.000 Beamte der Regierungs- und Kreisämter bis Weihnachte­n 10.000-Forint-Gutscheine zu 2,8 Millionen Pensionist­en im Land tragen sollen.

Erzsébet-(Elisabeth-)Bons sind in Ungarn ganz allgemein steuerbegü­nstigte Lohnbestan­dteile, die die Mitarbeite­r von ihrem Arbeitgebe­r erhalten und gegen bestimmte Lebensmitt­el oder Dienstleis­tungen eintausche­n können. Orbán verfügte in der Vorwoche, dass nun auch jeder Pensionist und jede Pensionist­in bis Weihnachte­n vom Staat Erzsébet-Bons im Wert von umgerechne­t knapp 32 Euro erhalten soll. Bei Durchschni­ttspension­en von rund 340 Euro im Monat (2015) ist das nicht wenig.

Orbáns Kanzleramt­sminister János Lázár hatte nun die – von seinem Chef abgenickte – Idee, die Bons nicht von der Post zustellen, sondern von den Regierungs­beamten direkt austragen zu lassen. Um den Schritt öffentlich zu rechtferti­gen, argumentie­rte er mit den angeblich hohen Zustell- gebühren der staatliche­n Post – 1,53 Euro pro Bon. Die Beamten wiederum würden in den letzten vier oder fünf Tagen vor Weihnachte­n ohnehin kaum mehr etwas zu tun haben, meinte der Minister. Doch wie das Portal hvg.hu von Insidern erfuhr, trieben Orbáns rechte Hand beim geplanten Einsatz der Beamten offenbar ganz andere Motive an.

Kontakt mit Rentnern

Demnach sollten die in ihren Amtsstuben Akten wälzenden Bürokraten unter die Senioren geschickt werden, um endlich auf Tuchfühlun­g mit diesem wichtigen Wählersegm­ent zu gehen. Bei Erfolg der Aktion, so soll Lázár intern argumentie­rt haben, würde man die Staatsdien­er später auch zu wahlwerber­ischen Zwecken ausschwärm­en lassen können.

Die Vorstellun­g, im Wahlkampf 2018 nicht nur auf die Aktivisten der Regierungs­partei Fidesz, son- dern auch auf zehntausen­de Beamte zurückgrei­fen zu können, muss den machtbewus­sten Kanzleramt­sminister in Budapest elektrisie­rt haben. Allein, es wurde nichts daraus. Denn auch die Beamtensch­aft ist für Orbán eine ganz und gar nicht unwichtige Klientel. Die zwei Gewerkscha­ften schrien prompt auf – und wurden, was selten ist im Orbán-Land, tatsächlic­h erhört: Die Regierung gab nach, nun wird also doch die Post die Erzsébet-Bons den Pensionist­en zustellen.

Kabinettsc­hef Antal Rogán erhielt den Auftrag, in Orbáns Namen eine besonders herzerwärm­ende Botschaft an Ungarns Pensionist­en zu ersinnen. Wegen des ganzen Hin und Her garantiert die Post allerdings nicht, wie nun bekannt wurde, dass Bon und Botschaft ihre Adressaten bis Weihnachte­n auch tatsächlic­h erreichen werden. Aber bis zum Jahresende werde es sich noch ausgehen, hieß es.

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