„Wir bauen keine Zäune um der Zäune willen“
Der mazedonische Außenminister Nikola Poposki rechnet mit der EU-Politik der eigenen Regierung ab und denkt, dass seine Partei nach der Wahl mehrere Koalitionspartner brauchen könnte.
INTERVIEW: Standard: Diesen Sonntag sind Wahlen. Zuletzt ist der Abstand zwischen Ihrer Partei, der VMRODPMNE, und den Sozialdemokraten (SDSM) geschrumpft. Es kann sein, dass Sie zwei albanische Parteien für eine Koalition brauchen. Poposki: Das kann alles sein, sogar drei oder vier.
Standard: Mazedoniens Nato- und EU-Beitritt sind wegen des Vetos von Griechenland blockiert. Sehen Sie eine Möglichkeit, dass nach der Wahl der Namensstreit gelöst wird? Poposki: Was die Nato betrifft, so haben wir alle Kriterien erfüllt – es bleibt nur die Namensfrage. In den vergangenen neun Jahren gab es immer wieder einen Austausch mit Griechenland – vielleicht sogar eher von griechischer Seite. Doch viele Gelegenheiten wurden versäumt. Wir sollten nicht davon ausgehen, dass die Wahlen nun der Ausgangspunkt für die Lösung des Namensstreits sind. Für eine Lösung müssten wir uns einbringen und vielleicht auch die Griechen. Doch wir sind in keiner perfekten Zeit dafür – andererseits waren wir das niemals. Wenn wir auf eine perfekte Phase warten, wird die wohl nie kommen.
Standard: Kann man in der EU-Annäherung ohne die Lösung der Namensfrage weiterkommen? Poposki: Was die EU betrifft, so haben wir einen fürchterlichen Fehler im Jahr 2009 gemacht. Damals haben wir die erste Empfehlung von der EU-Kommission bekommen, mit den Verhandlungen zu beginnen. Der Vorschlag der Griechen war, dass wir zuerst verhandeln und dann die Namensfrage innerhalb von ein paar Monaten lösen. In der Zwischenzeit haben wir weder die EU-Verhandlungen begonnen noch die Namensfrage gelöst, und es ist weniger wahrscheinlich, dass es zu einer Lösung kommt.
Standard: Kürzlich hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gedroht, er würde wieder Flüchtlinge nach Europa schicken. Welche Konsequenzen hätte das für Mazedonien und die Kontrolle der Grenze zu Griechenland? Poposki: Ich denke, dass die Türkei ein Interesse hat, die Beziehungen zu Europa aufrechtzuerhalten, so wie Europa das auch will. Ich denke nicht, dass die Tür- kei den Deal brechen will. Abgesehen davon aber haben wir gezeigt, dass wir in der Lage sind, unsere Grenze zu kontrollieren. Eine zweite Flüchtlingswelle würde Einfluss haben, wenn wir nicht vorbereitet wären. Aber wir sind vorbereitet. Wir haben ein Kooperationssystem mit einigen EUStaaten, unter anderem Österreich, für die Grenzsicherung. Und das ist gut für uns und für die EUStaaten.
Standard: Könnte es notwendig werden, an einer anderen Stelle einen Zaun zu bauen? Poposki: Wir sind keine großen Fans von Zäunen. Aber wenn es an anderen Stellen als in Gevgelija das gleiche Risiko geben sollte, werden wir das tun. Sonst nicht. Denn wir bauen keine Zäune um der Zäune willen. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass die Anzahl der illegalen Grenzüberschreitungen massiv gesunken ist, als wir die zwölf Kilometer Zaun bei Gevgelija gebaut hatten. Standard: Welche Auswirkungen hat die Wahl Donald Trumps auf die Politik der USA in den Balkanstaaten? Poposki: Ich glaube nicht, dass der Balkan unter den fünf Top-Prioritäten der nächsten US-Administration sein wird. Also denke ich, dass es weniger Druck geben wird, dass etwas Bestimmtes auf dem Balkan passiert. Es wird demnach am wichtigsten sein, nicht darauf zu warten, dass irgendwer anderer unsere Probleme repariert. Die USA haben sich aber bereits seit einiger Zeit als jemand, der für Sicherheit sorgt, zurückgezogen.
NIKOLA POPOSKI (39) hat unter anderem in Brüssel Wirtschaft studiert und ist Mitglied der nationalkonservativen VMRO-DPMNE, die seit 2006 regiert. Seit 2011 ist Poposki Außenminister. Er hat eng mit Außenminister Sebastian Kurz kooperiert, um die Balkanroute zu schließen. Sein Name wird häufig genannt, wenn es um die Nachfolge von Parteichef Nikola Gruevski geht.